Deutscher Kommunalimnformationsdienst 07. Juli 2025

Kommunalabwasserrichtlinie: „Erst die Fakten klären, dann fair verteilen“

Im ersten Teil unseres Interviews kritisierte Jörg Wieczorek, Vorstandsvorsitzender von Pharma Deutschland, die geplante 80-prozentige Kostenbeteiligung der Pharma- und Kosmetikindustrie an der vierten Reinigungsstufe. Die Datengrundlage sei nicht belastbar, andere Verursacher würden ausgeblendet, und für die ohnehin unter Preisdruck stehende Generikabranche könnte dies das Aus für viele Medikamente bedeuten. Im zweiten Teil sprechen wir über konkrete Lösungsansätze, die Rolle der Kommunen und die kürzlich angekündigte Überprüfung der Richtlinie durch die EU-Kommission.

 

DEKOM:  Herr Wieczorek, Sie schließen eine sachgerechte Beteiligung der Branche an den Kosten der vierten Reinigungsstufe nicht aus – sofern sie auf realistischen Daten und fairer Verteilung beruht. Wie ließe sich Ihrer Ansicht nach ein tragfähiges Modell gestalten?

 

Jörg Wieczorek: Wir fordern ganz konkret, alle verfügbaren Daten und Studien erst einmal auf den Tisch zu legen und sorgfältig auszuwerten. Es muss klar analysiert werden: Welche Stoffe in welchem Umfang belasten das Abwasser? Wer trägt wie viel dazu bei? Auf dieser Grundlage kann man dann über eine faire Verteilung der Lasten auf alle Verursacher sprechen. Man darf nicht nur ein paar Fakten herauspicken. Es geht uns darum, das gesamte Bild zu betrachten. Man sollte nicht nur eine Handvoll der 37 verfügbaren Studien heranziehen. Wenn alle relevanten Branchen entsprechend ihrem Verursacheranteil einbezogen werden – von Mikrokunststoffen über Reifenabrieb bis hin zu Industriechemikalien – dann ist die Pharmaindustrie sofort bereit, ihren fairen Anteil zu leisten.

 

DEKOM: Viele Kläranlagen wissen momentan gar nicht genau, welche Spurenstoffe in welcher Konzentration in ihrem Abwasser ankommen. Ohne diese Daten ist es schwer, überhaupt die richtigen Verfahren für eine vierte Reinigungsstufe auszuwählen. Ist es da nicht verfehlt, schon jetzt pauschal der Pharmaindustrie den größten Teil der Verantwortung zuzuschieben?

 

Jörg Wieczorek: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Tatsächlich gibt es bislang keine umfassende Datengrundlage dazu, welche Mikroschadstoffe in welchem Ausmaß in den kommunalen Abwässern vorhanden sind. Viele Kläranlagenbetreiber können das gar nicht detailliert beziffern. Oft arbeitet man mit Indikatorstoffen – bestimmten Arzneimittel-Rückständen, die überall im Abwasser nachweisbar sind, weil sie von vielen Menschen nach Einnahme eines Medikaments wieder ausgeschieden werden. Dass man solche Substanzen findet, ist also wenig überraschend. Daraus zu folgern, diese Arzneistoffe würden 80–90% der Gewässerbelastung ausmachen, greift jedoch zu kurz. Genau das hat ja auch unser Ramboll-Gutachten aufgezeigt. Natürlich ist es richtig, dass Arzneimittelreste über die menschlichen Ausscheidungen im Abwasser landen – niemand bestreitet das. Aber es ist Aufgabe von Wissenschaft und Abwassertechnik, zu erforschen, welche Stoffe darüber hinaus in welchem Umfang vorhanden sind und wie man sie am besten entfernt. Es kann nicht allein der Pharmaindustrie überlassen werden, hier Patentrezepte zu liefern. Übrigens fließt in vielen Städten auch Regenwasser in die Kanalisation – je nach Wetterlage und Region macht Niederschlagswasser bis zu 50 % des Abwassers aus. Wenn es stark regnet, spült es unweigerlich allerlei Schadstoffe von Straßen, Dächern und Freiflächen in den Kanalisation. Auch das trägt erheblich zur Belastung des Abwassers bei, hat aber mit Arzneimitteln nichts zu tun.

 

DEKOM: Unsere Leser sind ja vor allem Bürgermeister und Kommunalpolitiker. Was können die Kommunen tun, um einerseits sauberes Wasser sicherzustellen, andererseits aber auch eine für alle tragbare Umsetzung der Richtlinie zu erreichen?

 

Jörg Wieczorek: Aus unserer Sicht sollten die Kommunen – gemeinsam mit Bund und Ländern – darauf dringen, zuerst eine solide Faktenbasis zu schaffen. Bevor man über Finanzierungsanteile streitet, muss klar sein, welche Stoffe verursachen welche Kosten. Eine umfassende Analyse aller Spurenstoffe im Abwasser wäre der erste Schritt. Darauf basierend kann man dann mit allen beteiligten Branchen Lösungen entwickeln, wie man die Einträge verringert und die nötigen Kosten fair verteilt. Nur wenn man das gesamte Bild kennt, lassen sich priorisierte Maßnahmen ableiten: Wo bringt eine vierte Reinigungsstufe am meisten? Wo gibt es vielleicht auch andere Ansätze, etwa bei Industrieeinleitern oder durch Aufklärung der Verbraucher? Wichtig ist vor allem, alle relevanten Akteure an einen Tisch zu holen. Wenn Kommunen nämlich nur einen oder zwei Sündenböcke herausgreifen, besteht die Gefahr, dass das eigentliche Problem nicht gelöst wird.

 

DEKOM: Die EU-Kommission hat im Rahmen ihrer neuen Wasserresilienz-Strategie zuletzt angekündigt, die Kommunalabwasserrichtlinie nochmal auf den Prüfstand zu stellen. Ihr Verband hat diese Entscheidung begrüßt. Halten Sie es für realistisch, dass die Richtlinie grundlegend geändert wird? Was erwarten Sie von dieser Überprüfung?

 

Jörg Wieczorek: Dass eine bereits verabschiedete EU-Richtlinie nochmal aufgeschnürt und hinterfragt wird, kommt äußerst selten vor. Insofern ist das schon bemerkenswert und zeigt, wie stark  die Bedenken selbst auf EU-Ebene geworden sind. Wir sehen diese Ankündigung als positives Signal, dass die Entscheidungsträger in Brüssel gemerkt haben: Hier stimmt etwas nicht, wir müssen nochmal nacharbeiten. Auch in Deutschland tut sich etwas. In den letzten Tagen haben sich sowohl die Gesundheitsministerkonferenz als auch die Wirtschaftsministerkonferenz der Bundesländer mit möglichen Folgen der Kommunalabwasserrichtlinie befasst und vor den Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung gewarnt. Natürlich wissen wir noch nicht, was am Ende herauskommt. Aber allein die Einsicht, dass man die Datengrundlage und Annahmen überprüfen muss, ist ein wichtiger Schritt.

 

DEKOM: Könnte das Ergebnis dieser Neubewertung nicht auch einfach sein, dass die Quote etwas abgesenkt wird? Also anstelle von 80 % zum Beispiel 60 % Herstellerbeteiligung – würden Sie ein Entgegenkommen in dieser Größenordnung begrüßen, oder lehnt die Pharmaindustrie die EPR-Grundidee insgesamt ab?

 

Jörg Wieczorek: Wir nehmen die Herstellerverantwortung sehr ernst und sind durchaus bereit, unseren Beitrag zu leisten – aber gleichberechtigt mit allen anderen Verursachern. Es kann nicht sein, dass allein zwei Branchen die Hauptlast tragen, während alle anderen Verursacher außen vor bleiben.

Ob am Ende 60% oder 30% oder ein ganz anderes Modell stehen – darüber spekulieren wir nicht. Das hier ist kein Basar, auf dem wir um Prozentsätze feilschen. Wichtig ist für uns das Prinzip: Die Lasten müssen fair und evidenzbasiert verteilt werden. Solange keine belastbaren Gesamtdaten vorliegen, macht es keinen Sinn, irgendeine Zahl in den Raum zu stellen. Die Kosmetikindustrie könnte z.B. Preissteigerungen relativ leicht an die Kunden weitergeben, wir im Arzneimittelsektor können das nicht ohne weiteres. Solche spezifischen Unterschiede müssen berücksichtigt werden, sonst schadet man am Ende der Gesundheitsversorgung.

 

DEKOM: Abschließend nochmal zugespitzt: Was genau fordern Sie von der Politik?

 

Jörg Wieczorek: Eine vernünftige, seriöse Datengrundlage mit einer umfassenden Folgenabschätzung – und erst darauf aufbauend Entscheidungen über die Verteilung der Kosten. Wenn diese Basis geschaffen ist, setzen wir uns gerne zusammen und finden eine Lösung, wie wir alle gemeinsam für sauberes Wasser sorgen können, ohne die Medikamentenversorgung zu gefährden. Bis dahin sollte eine nationale Umsetzung der Richtlinie gestoppt werden. In einem Satz: Erst die Fakten klären, dann die Lasten fair verteilen. Damit wäre allen gedient.

 

DEKOM: Vielen Dank!

 

Fazit

Die Position der Pharmaindustrie ist klar: Ja zur Verantwortung, nein zur einseitigen Belastung ohne valide Datengrundlage. Die angekündigte Überprüfung der EU-Kommission bietet die Chance, eine sachgerechtere Lösung zu finden. Für die Kommunen bedeutet das: Sie sollten auf eine transparente Datenbasis drängen und alle Verursacher in die Pflicht nehmen – nicht nur die vermeintlich zahlungskräftigen.

 

Die Warnung vor möglichen Versorgungsengpässen bei Medikamenten sollte ernst genommen werden. Eine vierte Reinigungsstufe ist wichtig für den Gewässerschutz, aber sie darf nicht zu Lasten der Gesundheitsversorgung gehen. Die Devise muss lauten: Erst umfassend analysieren, dann gerecht verteilen – alles andere wäre fahrlässig.

Zur Person

Jörg Wieczorek ist Geschäftsführer der HERMES Arzneimittel Holding GmbH und steht seit 1. Juli 2014 als Vorstandsvorsitzender an der Spitze von Pharma Deutschland.

 

Über Pharma Deutschland

Pharma Deutschland ist der größte Branchenverband der Pharmaindustrie in Deutschland und vertritt rund 400 Mitgliedsunternehmen. Neben globalen Pharmaunternehmen sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen gehören auch Apotheker, Rechtsanwälte, Verlage, Agenturen und Marktforschungsinstitute dazu. Die Mitglieder sichern die Arzneimittelversorgung in Deutschland, indem sie fast 80 Prozent der rezeptfreien und zwei Drittel der rezeptpflichtigen Medikamente sowie einen Großteil der stofflichen Medizinprodukte bereitstellen. Mehr Infos hier…

 

Vierte Reinigungsstufe: Die Schweiz setzt auf eine gesamtgesellschaftliche Lösung

Während die Europäische Union mit der Kommunalabwasserrichtlinie eine erweiterte Herstellerverantwortung einführt, bei der Pharma- und Kosmetikindustrie den Großteil der Kosten für die vierte Reinigungsstufe auf Kläranlagen tragen sollen, verfolgt die Schweiz einen grundsätzlich anderen Ansatz: Dort werden die Investitionen gesamtgesellschaftlich finanziert – über eine einwohnerbezogene Abgabe, die über bestehende Gebührenstrukturen auf Haushalte und Betriebe verteilt wird. Konkret zahlt jede Abwasserreinigungsanlage (ARA) neun Franken (aktuell 9,65 Euro) pro angeschlossenem Einwohner und Jahr an den Bund. Die Kosten werden auf die angeschlossenen Gemeinden und damit auf die Nutzer umgelegt. Aus dem entstehenden Fonds fördert der Bund 75 % der notwendigen Erstinvestitionen für die vierte Reinigungsstufe. Die verbleibenden 25 % tragen die Anlagenbetreiber. Die Abgabe ist bis 2040 befristet und entfällt für Anlagen, die den Ausbau bereits umgesetzt haben – ein bewusst gesetzter Anreiz zur zügigen Umsetzung. Die Schweiz betont, dass Mikroverunreinigungen aus vielen Quellen stammen – neben Haushalten etwa auch aus Krankenhäusern, Gewerbebetrieben oder der Landwirtschaft. Das Modell vermeidet einseitige Belastungen und gilt als sozial ausgewogen. Gleichzeitig ist der Verwaltungsaufwand gering: Die Abwicklung erfolgt zentral und unbürokratisch über bestehende Strukturen. Seit der gesetzlichen Einführung im Jahr 2016 hat sich die Regelung bewährt. Sie wird in der Bevölkerung akzeptiert und findet zunehmend internationale Beachtung – nicht zuletzt als pragmatische und anschlussfähige Alternative zu komplexen Verursacherzuweisungen. Auch in der europäischen Debatte um faire und umsetzbare Finanzierungsmodelle für sauberes Wasser gilt das Schweizer System inzwischen als möglicher Referenzrahmen – insbesondere für Kommunen, die Planbarkeit, Rechtsklarheit und breite Akzeptanz in den Vordergrund stellen. (BAFU Schweizerisches Amt für Umwelt/DEKOM, 07.07.2025) Mehr Infos hier…

 

Interkommunale Zusammenarbeit als Schlüssel zur nachhaltigen IT-Sicherheit: Wie Kommunen gemeinsam digitale Resilienz und Souveränität stärken

Angesichts wachsender Bedrohungslagen, technischer Komplexität und begrenzter Ressourcen stehen viele Kommunen vor der Herausforderung, ihre IT-Sicherheit und digitale Resilienz nachhaltig zu stärken. Einzelne Verwaltungen stoßen dabei zunehmend an ihre personellen, finanziellen und organisatorischen Grenzen. Vor diesem Hintergrund rücken interkommunale Kooperationen als strategischer Hebel für mehr Sicherheit, Effizienz und Zukunftsfähigkeit in den Fokus – und eröffnen neue Chancen für ein gemeinsames digitales Schutzschild auf kommunaler Ebene.  Die jüngste IT-Leitertagung des Zweckverbands Kommunale ADV-Anwendergemeinschaft West (KAAW) hat deutlich gemacht, wie groß das Potenzial ist: Der Austausch über Bedrohungslagen, Sicherheitsstandards und Lösungsansätze war nicht nur fachlich fruchtbar, sondern hat auch verdeutlicht, wie wichtig der Aufbau gemeinsamer Plattformen und abgestimmter Prozesse ist. Dabei geht es nicht nur um den effizienten Ressourceneinsatz, sondern um das Prinzip, Sicherheit als Gemeinschaftsaufgabe zu begreifen – und Synergien gezielt zu nutzen.

Ein Beispiel für diese Entwicklung ist der Einsatz europäischer Sicherheitslösungen wie der All-in-One Security-Plattform von Enginsight. Das Thüringer Unternehmen bietet eine Lösung „Made in Germany“, die sich besonders für Shared-Service-Strukturen eignen. Die On-Premises-Plattform erlaubt es mehreren Kommunen, über ein zentrales Dashboard Angriffe zu erkennen, Schwachstellen zu analysieren und Vorfälle koordiniert zu behandeln – ohne dabei auf externe Cloud-Dienste angewiesen zu sein. Der Vorteil: Jede Kommune behält ihre Datenhoheit, profitiert aber gleichzeitig von zentraler Administration und gemeinsamer Betriebserfahrung. Auch die Einrichtung interkommunaler Security Operations Center (SOC) ist auf dieser Grundlage möglich – inklusive abgestimmter Notfallpläne, gemeinsamer Awareness-Schulungen und rollenspezifischer Eskalationsroutinen.

Dabei lassen sich laut Enginsight signifikante Effizienzgewinne erzielen. Durch gebündelte Schulungen, geteilte technische Ressourcen und standardisierte Prozesse verringert sich nicht nur der Personalaufwand pro Kommune – auch die Reaktionszeiten im Ernstfall verkürzen sich. Die Plattform ermöglicht zudem den Einsatz von KI-gestützten Funktionen zur Angriffserkennung und Alarmierung, ohne dass jede Kommune selbst in teure, komplexe Einzellösungen investieren muss. Entscheidend ist laut Michael Rainer, Business Development Manager Public bei Enginsight, dass „Kommunen die Möglichkeiten der Automatisierung nutzen, aber auf nachvollziehbare, transparente und backdoorfreie Systeme setzen – am besten lokal betrieben und individuell konfigurierbar.“

Auch aus Sicht der digitalen Souveränität ergeben sich klare Vorteile: Interkommunale Projekte können auf europäische Standards setzen, Investitionssicherheit schaffen und gleichzeitig politische Unabhängigkeit wahren. Dies entspricht nicht nur den Zielen des IT-Planungsrats und der Bund-Länder-Strategie zur Stärkung digitaler Souveränität, sondern auch der Erwartung vieler kommunaler Gremien an verantwortungsvolle, nachhaltige Digitalisierung. Die kommunale Selbstverwaltung wird so nicht geschwächt, sondern gezielt gestärkt – durch Kooperation auf Augenhöhe und gemeinsame Steuerung sicherheitskritischer Prozesse.

Die Erfahrung zeigt: Interkommunale Zusammenarbeit ist kein Ersatz für lokale Verantwortlichkeit, sondern deren zukunftsgerichtete Ergänzung. Kommunen, die sich zusammenschließen, können Risiken besser verteilen, strategischer handeln und digitale Sicherheit als langfristiges Gemeinschaftsprojekt gestalten. Die nötigen technologischen Grundlagen sind vorhanden – etwa durch Anbieter wie Enginsight, die gezielt auf die Bedarfe öffentlicher IT-Umgebungen eingehen und praxisgerechte Umsetzungen ermöglichen.

Für kommunale Entscheidungsträger ergibt sich daraus ein klarer Handlungsauftrag: Die eigene Sicherheitsarchitektur sollte nicht isoliert, sondern kooperativ weiterentwickelt werden. Gemeinsame Plattformen, koordinierte Notfallmechanismen und standardisierte Werkzeuge für Monitoring, Response und Awareness bilden dabei das Fundament. Wo politische Unterstützung und finanzielle Förderung flankieren, lässt sich aus diesen Ansätzen ein skalierbares Modell für mehr digitale Widerstandsfähigkeit entwickeln – lokal verankert, aber regional vernetzt.

Die Stärkung kommunaler IT-Sicherheit durch interkommunale Zusammenarbeit ist kein Zukunftsprojekt mehr – sie ist eine reale Option für alle, die nicht länger auf akute Vorfälle warten, sondern vorausschauend handeln wollen. Die technischen, organisatorischen und politischen Voraussetzungen dafür sind gegeben. Jetzt gilt es, diese gemeinsam zu nutzen. (DEKOM, 07.07.2025) Mehr Infos hier…

Open Source als Fundament kommunaler Digitalisierung

Für Kommunen wird digitale Souveränität zur Schlüsselfrage ihrer Handlungsfähigkeit. Schleswig-Holstein geht mit seiner Open Source-Strategie voran und zeigt, wie sich Abhängigkeiten von Softwarekonzernen reduzieren und gleichzeitig neue Möglichkeiten für datenbasierte Stadtentwicklung schaffen lassen. Die deutschen Kommunen stehen vor einem grundlegenden Problem, das ihre Handlungsfähigkeit in der digitalen Transformation erheblich einschränkt. Öffentliche Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen nutzen größtenteils Software von wenigen großen, sogenannten proprietären, Anbietern, woraus sich starke Abhängigkeiten entwickelt haben. Die finanziellen Dimensionen dieses Problems sind erheblich – allein der Bund zahlte 2023 fast 200 Millionen Euro für Microsoft-Lizenzen. Für Kommunen bedeutet dies nicht nur kontinuierlich steigende Kosten, sondern auch eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten bei der IT-Infrastruktur. Der Zwang, Hersteller-Cloudsysteme zu verwenden und die damit einhergehenden erheblichen Lizenzkosten, verschärfen diese Situation zusätzlich. Als erstes Bundesland hat Schleswig-Holstein eine umfassende „Open Innovation und Open Source Strategie“ beschlossen und damit einen Weg aufgezeigt, der bundesweit Beachtung findet. Das Land plant den schrittweisen Umstieg seiner 25.000 Arbeitsplätze auf Open Source-Lösungen: LibreOffice ersetzt Microsoft Office, Open-Xchange löst Exchange ab, und langfristig ist sogar der Wechsel von Windows auf Linux vorgesehen. Diese Strategie umfasst den Aufbau eines Open Source Programm Offices in der Landesverwaltung, die Förderung des DigitalHub.SH zur Verknüpfung öffentlicher Bedarfe mit der Digitalwirtschaft, den verstärkten Einsatz von Open Government-Ansätzen sowie die Beteiligung an der Deutschen Verwaltungscloud und dem Zentrum Digitale Souveränität.

Parallel zur Open Source-Bewegung etablieren sich Urban Data Platforms als zentrale digitale Infrastruktur für Kommunen. Diese Plattformen bündeln kommunale Informationen und schaffen so eine datenbasierte Grundlage für urbane digitale Zwillinge oder digitale Dienstleistungen wie Verkehrs-Apps oder Mängelmelder. Die Vorteile von Urban Data Platforms auf Open Source-Basis sind für Kommunen erheblich: Im Sinne der Datensouveränität bleiben die Daten im Besitz der Kommune, die über Form und Umfang der Verwendung entscheidet. Standardisierte offene Schnittstellen schaffen einen sicheren und integrierten Zugang zu urbanen Daten aus verschiedensten städtischen Bereichen, während Open-Source-Lösungen, Kooperationen und ein schrittweises Vorgehen den Kommunen Flexibilität und digitale Souveränität auf dem Weg zur eigenen Datenplattform bieten. Die gesetzlich verpflichtende Kommunale Wärmeplanung wird zum praktischen Prüfstein für diese neue Dateninfrastruktur. Große Kommunen müssen bis zum 30. Juni 2026 eine Wärmeplanung erarbeiten, kleinere Kommunen bis zum 30. Juni 2028. Ohne durchgängige, digitale Planungsprozesse können die kommunalen Wärmepläne kaum fristgerecht erstellt werden. Hier zeigt sich der praktische Nutzen offener Datenplattformen: Sie ermöglichen die Integration verschiedenster Datenquellen – von Gebäudeenergiedaten über Wärmepotenziale bis hin zu Verkehrs- und Umweltdaten – in einem einheitlichen System.

Für Kommunen ergeben sich daraus konkrete Handlungsoptionen in verschiedenen Zeithorizonten. Kurzfristig können sie ihre aktuelle Softwarelandschaft prüfen und geeignete Open Source-Alternativen identifizieren, Pilotprojekte in weniger kritischen Bereichen starten und interne Kompetenz für Open Source-Technologien aufbauen. Mittelfristig sollten sie eine kommunale Open Source-Strategie entwickeln, eine Urban Data Platform aufbauen oder sich an eine bestehende anschließen und Kooperationen mit anderen Kommunen für gemeinsame Lösungen eingehen. Langfristig können sie ihre Verwaltungsinfrastruktur vollständig auf Open Source umstellen, Software eigenständig weiterentwickeln und neue Geschäftsmodelle durch Datenveredelung erschließen. „Anstatt unsere IT-Finanzmittel in Lizenzgebühren zu stecken, setzen wir sie ein, um Entwicklungs- und Supportverträge zu finanzieren“, erklärt Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister Dirk Schrödter. Dieser Ansatz stärkt nicht nur die digitale Souveränität, sondern auch die regionale Wirtschaft. Kommunen können durch Open Source-Strategien ihre IT-Ausgaben von reinen Lizenzkosten hin zu lokalen Investitionen in Entwicklung und Support umschichten, was Arbeitsplätze vor Ort schafft und lokale Expertise aufbaut. Die Verbindung von Open Source-Software, Urban Data Platforms und konkreten Anwendungen wie der Kommunalen Wärmeplanung bietet Kommunen die Chance, ihre Digitalisierung auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen. Schleswig-Holstein beweist, dass der Weg zu mehr digitaler Souveränität machbar ist – wenn die politische Führung mitgeht und die Umstellung strategisch geplant wird. Die rechtlichen Rahmenbedingungen mit Gesetzen wie dem E-Government-Gesetz und dem Datennutzungsgesetz unterstützen diese Entwicklung. Kommunen, die jetzt handeln, können sich einen Vorsprung bei der Digitalisierung sichern und gleichzeitig ihre Haushalte langfristig entlasten. (DEKOM, 07.07.2025) Mehr Infos hier…

 

VKU:  Noch ein Jahr Zeit für kommunale Wärmepläne – Kosten-Gutachten zu Wärmeoptionen

Spätestens bis zum 30. Juni 2026 – müssen Städte in Deutschland mit mehr als 100.000 Einwohnern einen kommunalen Wärmeplan vorlegen. Dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. Das ist ein wichtiger Meilenstein für die Wärmewende. „Für die Kommunen ist das eine große Herausforderung, aber auch eine wichtige Aufgabe. Die enorme Aktivität, mit der die Pläne bundesweit erstellt werden, freut uns sehr. Aber die Pläne sollen nicht in der Schublade verschwinden, sondern müssen auch umgesetzt werden“, so die Zwischenbilanz von Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) anlässlich der Vorstellung eines Gutachtens zu den Kosten verschiedener Wärmeoptionen. Liebing weiter: „Es muss von Seiten der Politik ein entsprechender Finanzierungs- und Marktrahmen geschaffen werden, der die Wärmewende in der Praxis ermöglicht. Andernfalls bleiben die kommunalen Wärmepläne insbesondere beim entscheidend wichtigen Wärmenetzausbau bloße Absichtserklärungen, ohne Aussicht auf konkrete Umsetzung.“ Beim Gebäudeenergiegesetz seien Kurskorrekturen für mehr Praxistauglichkeit nötig, aber es dürfe auch keine Rolle rückwärts geben. AGFW und VKU nennen fünf Punkte, wie die Bundesregierung kommunale Energieversorger besser unterstützen kann, damit aus Wärme-Plänen eine echte Wärmewende wird:

 

  1. Gebäudeenergiegesetz und Wärmeplanungsgesetz rechtssicher ausgestalten: Bei einer Reform des Gebäudeenergiegesetzes müssen die Wechselwirkungen mit dem Wärmeplanungsgesetz mitgedacht werden, beide Regelungen sind eng miteinander verzahnt. Kommunen, Stadtwerke und Hausbesitzer brauchen Klarheit.

 

  1. Mehr Geld für die Wärmewende: Die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) muss auf mindestens 3,5 Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt und bis 2035 verlängert werden. Das Kraft-Wärme-Koppelungsgesetz sollte ebenfalls schnellstmöglich verlängert und auf den Betrieb mit klimaneutralen Gasen ausgerichtet werden.

 

  1. Weniger Bürokratie: Überflüssige oder nicht praxistaugliche Vorgaben – etwa komplexe Übergangslösungen für den Anschluss an Wärmenetze im GEG – sollten ersatzlos gestrichen oder stark vereinfacht werden. 

 

  1. Technologieoffenheit sichern: Das GEG und WPG müssen alle klimaneutralen Wärmequellen – auch Biomasse, Abwärme und Wasserstoff gleichwertig einbeziehen.

 

  1. Fairness und Fördereffizienz stärken: Die Wärmeplanung muss auf effiziente Fördermittelvergabe fokussiert werden: In Gebieten, in denen Wärmepläne zum Beispiel Fernwärme als beste Option ausweisen, sollten keine Fördermittel mehr für Wärmepumpen gezahlt werden. Die Optionen blieben möglich, jedoch würde kein Steuergeld mehr fließen. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Dekarbonisierungsfahrplänen sollte nur zusammenfassend erfolgen, um sensible Daten zu schützen.

„Viele bereits erstellte Wärmepläne sehen den Ausbau von Wärmenetzen vor“, sagt Liebing. Allerdings werde der Ausbau der Fernwärme in vermieteten Bestandsgebäuden seit vielen Jahren durch das Kostenneutralitätsgebot von § 556c BGB und Wärmelieferverordnung gehemmt. „Der Paragraf ist das zentrale regulatorische Hemmnis für den Ausbau von Wärmenetzen – und damit auch eine wesentliche Hürde für die Umsetzung der Wärmepläne”, so Liebing.

Ein von AGFW und VKU bei ITG Dresden in Auftrag gegebenes Kurzgutachten zeigt, dass der Heizungstausch zum Zeitpunkt der Umstellung bei nahezu allen untersuchten Heizungstechnologien mit Mehrkosten verbunden ist. Die Mehrkosten betragen monatlich rund 50 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche. Damit entsprechen sie der neu eingeführten Modernisierungsumlage für neue Heizungen (§556c BGB). Beim Anschluss an ein Wärmenetz kann diese Umlage jedoch nicht gleichermaßen wie beim Einbau einer Wärmepumpe genutzt werden.‘

„Der Spielraum für klimafreundliche Heizlösungen wird dadurch stark eingeschränkt, da die Regelung einseitig den Heizungstausch durch den Vermieter bevorzugt“, so AGFW-Geschäftsführer Werner Lutsch. „So darf der Vermieter bei einem Einbau einer Wärmepumpe Investitions- und Betriebskosten auf die Mieter umlegen, beim Anschluss an ein Fernwärmenetz ist das nicht möglich. Das führt zu einer Wettbewerbsverzerrung und benachteiligt effiziente Technologien wie Fernwärme. Was wir brauchen, ist ein fairer Wettbewerb der Technologien. Das Gutachten zeigt: Ein monatlicher Mietaufschlag von 50 Cent pro Quadratmeter würde ausreichen, um Investitionen wirtschaftlich tragfähig zu machen. Gleichzeitig bleibt der Mieterschutz erhalten.“

Um den Anschluss an ein Wärmenetz als auch den Umstieg auf Contracting zu ermöglichen, muss der Paragraph § 556c BGB novelliert werden. AGFW und VKU schlagen vor, einen zusätzlichen Betrag von maximal 50 Cent (pro Quadratmeter und Monat) im Kostenvergleich zu berücksichtigen. Der Vorschlag der Verbände orientiert sich an bereits bestehenden mietrechtlichen Bestimmungen zur Aufteilung der Kosten einer neuen Heizungsanlage zwischen Vermietenden und Mietenden. Er schafft damit vergleichenden Wettbewerbsbedingungen zwischen der “Eigenversorgung” – also, wenn der Vermietende selbst in eine Heizungsanlage investiert und diese auch selbst betreibt – und dem Umstieg auf eine gewerbliche Wärmelieferung, zu der neben Fernwärme auch Contracting gehört.

Rund die Hälfte des Energieverbrauchs in Deutschland entfällt auf Wärme. Noch immer stammen 80 Prozent aus fossilen Quellen wie Gas oder Öl. Bis 2045 soll die Wärmeversorgung klimaneutral werden. Kommunale Unternehmen und Stadtwerke kennen die Gegebenheiten vor Ort und haben das Know-how für den Umbau der Wärmeversorgung. „Ohne klare Regeln für die Umsetzung bleibt der Wärmeplan ein Papiertiger. Jetzt ist die Politik am Zug“, so Liebing. (VKU, 26.06.2025) Ganzer Artikel hier…

 

Personalengpässe bremsen Kommunale Wärmeplanung – Schleswig-Holstein bündelt Ressourcen

Die Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung stößt bundesweit auf erhebliche Kapazitätsprobleme. Während über 11.000 Kommunen bis 2028 verpflichtende Wärmepläne erstellen müssen, fehlen qualifizierte Planungsbüros und Fachkräfte. Eine aktuelle Fraunhofer-Studie des Exzellenzclusters „Integrierte Energiesysteme“ bestätigt nach einer Befragung von 267 kommunalen Akteuren: Die Verfügbarkeit qualifizierten Personals ist das größte Hindernis für eine erfolgreiche Wärmewende auf kommunaler Ebene. Die Marktsituation spitzt sich zu. In Schleswig-Holstein konkurrieren 1.104 Gemeinden um die Dienstleistungen einer recht überschaubaren Zahl spezialisierter Ingenieurbüros. Wartezeiten von über 18 Monaten sind keine Seltenheit. Gleichzeitig steigen die Planungskosten deutlich: Die KWW-Kommunenbefragung 2024 weist eine Kostensteigerung von durchschnittlich 2,92 Euro pro Einwohner in 2023 auf 3,79 Euro in 2024 aus – ein Plus von 11 Prozent binnen eines Jahres. Besonders kleinere Kommunen geraten unter Druck. 90 Prozent der Kommunen unter 100.000 Einwohnern müssen die Wärmeplanung komplett extern vergeben, da eigene Kapazitäten fehlen. Die knappen Ressourcen der Dienstleister treiben die Preise weiter nach oben und gefährden die Einhaltung der gesetzlichen Fristen.

Schleswig-Holstein reagiert mit einem umfassenden Maßnahmenpaket auf diese Herausforderungen. Kern der Strategie ist die Gründung des Wärmekompetenzzentrums Schleswig-Holstein (WKZ.SH), das im März 2025 beim bestehenden Breitband-Kompetenzzentrum (BKZ.SH) angesiedelt wurde. Diese Entscheidung nutzt vorhandene Strukturen und Expertise: Das BKZ.SH verfügt über 15 Jahre Erfahrung in der Koordinierung komplexer Infrastrukturprojekte und hat das Land beim Glasfaserausbau zur bundesweiten Spitzenposition geführt.

Maxim Schmuck, Manager für Öffentlichkeitsarbeit und Digitales beim BKZ.SH, erläutert die strategische Entscheidung: „Die kommunale Wärmeplanung braucht – wie der Breitbandausbau – enge Abstimmung, technische Kompetenz und kommunale Nähe. Das Breitband-Kompetenzzentrum ist bereits gut in der kommunalen Familie verankert und hat bewährte Strukturen, die auch für die Wärmewende genutzt werden können.“ Die Synergieeffekte sind erheblich. Das BKZ.SH bringt Expertise im Geodatenmanagement ein – ein Kernbereich der Wärmeplanung. Zudem ermöglicht die Bündelung von Glasfaser- und Wärmenetzplanung Kosteneinsparungen von bis zu 30 Prozent bei Tiefbauarbeiten. „Durch die gemeinsame Struktur entstehen kurze Wege, gebündeltes Fachwissen und abgestimmte Abläufe. Besonders wertvoll sind die bestehenden Kontakte des BKZ.SH zu Stadt- und Gemeindewerken – zentrale Akteure bei der Umsetzung von Wärmelösungen“, betont Schmuck. Das WKZ.SH stellt den Kommunen ab sofort Wärmepotenzialkarten über den DigitalAtlasNord zur Verfügung, die zeigen, wo Wärmenetze wirtschaftlich betrieben werden können. Kommunen können so frühzeitig entscheiden, ob ein verkürztes Verfahren möglich ist. Erste Erfolge sind messbar: Durch die Datenaufbereitung des WKZ.SH konnte die Bearbeitungszeit um durchschnittlich 20 Prozent reduziert werden. Dies macht Projekte für Planungsbüros attraktiver und entlastet kommunale Haushalte.

Die öffentliche Koordinierung allein kann jedoch die Ressourcenengpässe nicht vollständig lösen. Angesichts der schieren Menge an zu erstellenden Wärmeplänen und der begrenzten Kapazitäten braucht es zusätzliche Ansätze zur Effizienzsteigerung. Deshalb setzt das Land Schleswig-Holstein auch gezielt auf heimische Lösungsanbieter, die mit ihren technologischen Kompetenzen und ihrer Kenntnis der regionalen Gegebenheiten maßgeblich zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen. Ein Beispiel dafür ist EBERO FAB aus Norderstedt: Das Unternehmen vor den Toren Hamburgs hat gemeinsam mit den Partnern GEO DATA und KI-P eine Open-Source-basierte Komplettlösung entwickelt, die durch Automatisierung und Standardisierung die knappen Planungsressourcen deutlich effektiver nutzt.

Der Ansatz des Konsortiums unterscheidet sich fundamental von klassischen Planungsverfahren: Statt sequenzieller Arbeitsschritte werden technische Planung, digitale Werkzeuge und kommunale Prozessbegleitung von Beginn an integriert. Die Open-Source-Plattform von KI-P versetzt Kommunen in die Lage, eigene Daten souverän zu verwalten, verschiedene Planungsszenarien durchzuspielen und fundierte Entscheidungen zu treffen – frei von proprietären Abhängigkeiten und mit voller Kompatibilität zu bestehenden kommunalen Systemen. Das umfassende Leistungsspektrum reicht von der initialen Potenzialanalyse über technische und rechtliche Machbarkeitsprüfungen bis hin zur Förderberatung und kontinuierlichen Umsetzungsbegleitung. Der entscheidende Vorteil: Durch konsequente Digitalisierung und Automatisierung von Standardprozessen werden die wenigen verfügbaren Fachexperten entlastet. Sie können sich auf komplexe Einzelfälle und strategische Fragestellungen konzentrieren, während Routineaufgaben effizient digital abgewickelt werden. So entstehen aus Schleswig-Holstein heraus Lösungsansätze, die bundesweit zur Bewältigung der Personalengpässe beitragen können.

Die schleswig-holsteinische Herangehensweise stößt bundesweit auf Interesse. Die Kombination aus zentraler Koordinierung, digitalen Tools und Nutzung bestehender Infrastrukturnetzwerke gilt als wegweisend. Mit einer Glasfaserversorgung von 80 Prozent verfügt das Land über ideale Voraussetzungen für die Digitalisierung der Wärmeplanung. Für Kommunen ergeben sich konkrete Handlungsoptionen: Die Nutzung digitaler Planungstools kann Personalengpässe kompensieren. Eine frühzeitige Einbindung von Kompetenzzentren erleichtert die Suche nach Dienstleistern. Die Bündelung von Infrastrukturprojekten senkt Kosten erheblich. Open Source-Lösungen bieten kostengünstige Alternativen zu proprietären Systemen. Der Bedarf bleibt groß: Bundesweit fehlen nach Schätzungen des Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende mindestens 2.000 zusätzliche Fachkräfte. Ob andere Bundesländer das schleswig-holsteinische Modell adaptieren und digitale Tools rechtzeitig skaliert werden können, wird über den Erfolg der kommunalen Wärmewende entscheiden. (DEKOM, 07.07.2025) Mehr Infos hier…

 

Osterholzer Stadtwerke-Chef: „Preisdeckel bremsen Wärmewende aus“

Christian Meyer-Hammerström, Geschäftsführer der Osterholzer Stadtwerke, hat frühzeitig die Bedeutung der kommunalen Wärmeplanung erkannt. Sein Unternehmen erstellt die Wärmepläne für mehrere Gemeinden im niedersächsischen Landkreis Osterholz und arbeitet dabei eng mit dem regionalen Netzbetreiber EWE Netz zusammen. Im Gespräch erläutert Meyer-Hammerström, wie die Zusammenarbeit abläuft, wie er mit überzogenen Erwartungen seitens Politik und Bürgerschaft umgeht und warum Kommunen bei der Wärmeplanung am besten mit ihrem örtlichen Energieversorger im „Tandem“ fahren sollten.

 DEKOM: Herr Meyer-Hammerström, die Osterholzer Stadtwerke unterstützen mehrere Kommunen bei der kommunalen Wärmeplanung – auch über das eigene Versorgungsgebiet hinaus. Im Landkreis Osterholz übernehmen Sie für drei Ihrer Gesellschafter-Kommunen die Planung. Was genau tun Sie dort und wie ist die Zusammenarbeit mit dem anderen Versorger im Kreis organisiert?

Christian Meyer-Hammerström: Der Landkreis Osterholz in Niedersachsen besteht aus sieben Gemeinden. Drei davon – Osterholz-Scharmbeck, Lilienthal und Ritterhude – sind unsere Gesellschafterkommunen. Die übrigen vier Gemeinden im Landkreis werden traditionell von EWE- Netz mit Strom und Gas versorgt. Der Landkreis hat die Erstellung der kommunalen Wärmeplanung für alle sieben Kommunen gemeinsam ausgeschrieben, jedoch in Losen vergeben. So haben am Ende wir den Auftrag für unsere drei Kommunen erhalten und EWE-Netz für ihre vier Kommunen. Wir arbeiten hierbei sehr eng mit EWE-Netz zusammen und orchestrieren den Prozess gemeinsam. Uns war wichtig, dass am Ende nicht zwei völlig unterschiedliche Konzepte präsentiert werden, die sich womöglich widersprechen. Deshalb stimmen wir uns laufend ab und haben beim Erstellen der Wärmepläne weitgehend das gleiche Vorgehen gewählt – das ist ja auch durch die Landesvorgaben relativ klar strukturiert vorgegeben in vier Abschnitten. Aktuell sind wir so weit, dass wir Ende August unsere Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung vorstellen können.

DEKOM: Diese Wärmeplanung wurde also offiziell ausgeschrieben. War das Verfahren stark umkämpft – haben sich viele externe Büros beworben?

Christian Meyer-Hammerström: Tatsächlich war es eine offene Ausschreibung – es gab durchaus Konkurrenz, auch überregionale. Bei Ausschreibungen für Kommunen zählt oft der Preis: Das günstigste Angebot gewinnt. Darüber diskutiere ich häufig mit kommunalen Auftraggebern, denn wer billig kauft, kauft zweimal – man sollte genau hinschauen, was man für sein Geld bekommt. Wir waren uns des Preiswettbewerbs bewusst und haben mit spitzem Bleistift kalkuliert, also sehr knapp und ohne übermäßige Sicherheitspuffer. Für Stadtwerke ist die Erstellung solcher Konzepte kein Geschäft, um hohe Renditen zu erwirtschaften. Meiner Meinung nach war es klug, hier knallhart zu kalkulieren, um den Zuschlag zu bekommen und die Wärmeplanung im eigenen Haus halten zu können.

DEKOM: Viele Kommunalpolitiker – und auch Bürger – verbinden mit der kommunalen Wärmeplanung sehr konkrete Erwartungen. Oft klafft eine Lücke zwischen dem, was sich die Politik vom Wärmeplan verspricht, und dem, was kurzfristig realistisch umsetzbar ist. Wie gehen Sie mit solchen überzogenen Erwartungshaltungen um?

Christian Meyer-Hammerström: Die Kommunen – und auch die Bürger – haben natürlich gewisse Vorstellungen, die man ernst nehmen muss. Aber man muss einen Schritt vorher ansetzen und diese Erwartungen managen. Ich erlebe auf Informationsveranstaltungen häufig, dass jemand aufsteht und sinngemäß fragt: „Wann kommt denn bei mir in der Straße XYZ die Nahwärmeleitung und was wird sie kosten?“ – in der Hoffnung, der Wärmeplan gebe darauf Antwort. Das ist mitnichten das Ergebnis der kommunalen Wärmeplanung. Wir müssen sehr deutlich kommunizieren, was ein Wärmeplan leisten kann und was nicht. Am Ende eines solchen Konzepts weiß man vor allem: Welche Gebiete im Ort könnten potenziell einmal durch ein Wärmenetz versorgt werden und welche eher nicht. Wenn Frau Müller in der Heckenweg 19 wohnt, wird ihr der Wärmeplan zeigen, ob ihr Viertel grundsätzlich genug Wärmedichte für ein Nahwärmenetz hätte – oder ob dort in den nächsten 20 bis 30 Jahren keine leitungsgebundene Wärme zu erwarten ist, so dass sie sich eher nach anderen Lösungen (Stichwort Wärmepumpe) umsehen muss. Mehr Details liefert der Wärmeplan erst einmal nicht. Das versuchen wir, sowohl der Politik als auch den Bürgern klarzumachen. Ein Wärmeplan ist keine Detailplanung, welcher Energieträger exakt wann und in welcher Straße zum Einsatz kommt. Er dient dazu, Gebiete mit Potenzial zu identifizieren. Der nächste Schritt wäre dann, für so ein potenzielles Gebiet eine Machbarkeitsstudie durchzuführen und konkreter zu planen – auch um die Rechnung nicht ohne den Wirt zu machen. Schließlich muss am Ende jemand in die Infrastruktur investieren, und wenn sich kein Investor findet, bleibt das beste Konzept Theorie.

DEKOM: Branchenverbände beklagen unisono, die teils widersprüchlichen politischen Signale rund ums Heizungsgesetz und die Wärmewende, hätten Investoren und Bürger verunsichert. Spüren Sie das auch in Ihren Projekten vor Ort?

Christian Meyer-Hammerström: Ganz eindeutig, ja – wir merken das aktuell gerade ganz praktisch: Wir bauen in einem Neubaugebiet mit etwa 30 Einfamilienhäusern ein sogenanntes kaltes Nahwärmenetz (bei dem über eine zentrale Wärmepumpenlösung nur niedrige Temperaturen verteilt werden). Das Konzept ist erklärungsbedürftig, und einige Grundstückskäufer sind skeptisch. Sie sagen: „Dann hänge ich ja auf Gedeih und Verderb an der Preisgestaltung des Versorgers – was, wenn die Energiepreise explodieren?“  Hier kommen die aktuellen politischen Diskussionen ins Spiel. Die geplante Reform der AVB-Fernwärme (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Fernwärmeversorgung) sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Verbraucherschützer fordern z. B. Preisdeckel für Fernwärme – aus Kundensicht verständlich, aber in der aktuellen Phase wenig hilfreich.

DEKOM: Preisgrenzen klingen doch erstmal ganz vernünftig – warum sind die eigentlich ein Problem?

Christian Meyer-Hammerström: Ich kenne kein Wärmenetz-Gebiet bei uns, in dem wir nicht jetzt schon jeden einzelnen Cent gegenüber der Landeskartellbehörde rechtfertigen müssten. Wenn nun von politischer Seite etwa starre Preisobergrenzen in den Raum gestellt werden, schreckt das natürlich potenzielle Betreiber und Finanziers ab. Man muss sich folgendes Szenario vor Augen führen: Wir identifizieren ein Potenzialgebiet, wollen dort eine zentrale Heizanlage und ein Nahwärmenetz aufbauen – und gleichzeitig herrscht Unsicherheit, ob man künftige Wärmepreise kostendeckend gestalten darf. Die Verbraucher sind verunsichert, die Banken ebenfalls. Niemand finanziert ein Nahwärmenetz mal eben aus der Portokasse; man braucht Kredite. Jede Bank fragt: „Wie sind Ihre Erlöse langfristig abgesichert? Welche Risiken bestehen, dass Sie Ihre Kosten nicht decken können?“ Wenn man darauf aufgrund vager politischer Eingriffe keine verlässliche Antwort geben kann, wird die Finanzierung schwierig. An solchen Rahmenbedingungen scheitern dann in der Praxis viele zunächst ambitionierte Konzepte.

 DEKOM: Für eine realistische Planung braucht man eine belastbare Datengrundlage. Wie haben Sie die nötigen Daten für die Wärmeplanung erhoben – nutzen Sie digitale Werkzeuge dafür, oder greifen Sie vor allem auf vorhandene Daten aus Ihrer langjährigen Tätigkeit als Netzbetreiber zurück?

 Christian Meyer-Hammerström: Wir verfügen als Gas- und Wärmeversorger natürlich bereits über einen umfassenden Datenpool. Viele Daten stammen aus dem eigenen Gasnetzbetrieb – Verbrauchsdaten, Netzstrukturdaten und so weiter. Hinzu kommen externe Daten, zum Beispiel von den Bezirksschornsteinfegern (etwa welche Heizungen in welchen Gebäuden vorhanden sind) oder allgemeine Gebäudedaten aus den Kommunen. All diese Informationen fließen in die Bestandsanalyse ein. Die eigentliche digitale Aufbereitung und Simulation machen wir aber nicht komplett in Eigenregie, sondern mit Unterstützung von externen Dienstleistern. Im konkreten Fall arbeiten wir eng mit Trianel zusammen – das ist ein Stadtwerke-Netzwerk, das uns methodisch und mit IT-Tools unterstützt. Trianel hat in Kooperation mit Fraunhofer-Instituten einen digitalen Zwilling aufgebaut, in den alle relevanten Daten einfließen. Damit lassen sich unterschiedliche Szenarien durchspielen und auswerten. Auf dieses Know-how greifen wir zurück. Mit anderen Worten: Wir liefern die Daten und die Ortskenntnis, und Trianel kümmert sich um die komplexe Modellierung und Simulation. Das funktioniert sehr gut.

 DEKOM: In Bundesländern wie Schleswig-Holstein hat erst etwa ein Drittel der Kommunen mit der Wärmeplanung überhaupt begonnen; anderenorts sieht es ähnlich aus. Was raten Sie Gemeinden, die jetzt vor dieser Aufgabe stehen? Wie sollte eine Kommune sich dem Thema nähern?

Christian Meyer-Hammerström: Mein erster und gleichsam wichtigster Rat: Wenn es vor Ort ein Stadtwerk gibt, unbedingt den Schulterschluss suchen! Sprechen Sie Ihr örtliches Energieversorgungsunternehmen an und bilden Sie ein Tandem aus Kommune und Versorger. Das bietet vielfältige Vorteile. Ich weiß, dass manche meiner Kollegen anfangs zurückhaltend waren – aber meine Haltung ist: Das ist unsere Stadt, unser „Wohnzimmer“ – und die Wärmewende ist unser zukünftiges Geschäft! Als lokaler Versorger sollte man die Chance ergreifen, bei der Wärmeplanung auf dem Fahrersitz zu sitzen und gemeinsam mit der Kommune die Richtung vorzugeben. Das kommt am Ende auch den Bürgerinnen und Bürgern zugute. Zudem strahlt so ein gemeinsames Vorgehen positiv auf andere Bereiche ab – man stärkt das Vertrauen in die lokale Daseinsvorsorge insgesamt, ob bei Strom, Gas oder Wärme.

DEKOM: Und wenn die Kommune ohne ihren Versorger plant – etwa mit einem externen Ingenieurbüro?

Christian Meyer-Hammerström: Wenn das Stadtwerk vor Ort nicht eingebunden ist, läuft man Gefahr, dass am Ende realitätsferne Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Dann muss das Stadtwerk in der Umsetzung die größten Schnitzer ausbügeln – und steht plötzlich als Bremser oder Verhinderer da. In der konstruktiven Rolle bleibt man aber, wenn man von Anfang an beteiligt ist. Deswegen mein Appell: Wenn immer möglich, die Expertise vor Ort einbeziehen – sei es das Stadtwerk oder zumindest der örtliche Netzbetreiber, gerade was Strom angeht. Alles, was in der Wärmeplanung entschieden wird, hat erhebliche Auswirkungen auf den Stromnetzbetrieb und -ausbau. Das ist kein Geheimnis: In ländlichen Gebieten mit weiten Wegen und wenigen Anschlüssen wird, wenn kein Wärmenetz kommt, zwangsläufig die Wärmepumpe zur bevorzugten Lösung – und dafür muss man das Stromnetz entsprechend ertüchtigen. Diese Abstimmung gehört von Anfang an mit dazu.

DEKOM: In der öffentlichen Diskussion tauchen immer wieder neue Technologietrends auf – von kalter Nahwärme bis Geothermie. Können kommunale Entscheidungsträger überhaupt noch realistisch einschätzen, was davon in der Praxis tragfähig ist?

Christian Meyer-Hammerström: Die kommunale Wärmeplanung hilft ja gerade dabei, solche Fragen zu versachlichen und Entscheidungen auf eine belastbare Grundlage zu stellen. Jeder Bürgermeister oder jede Bürgermeisterin wird heute mit Forderungen nach vermeintlich zukunftssicheren Lösungen konfrontiert – Wasserstoff ist dabei ein gutes Beispiel. In unseren Analysen sehen wir sehr klar: In den nächsten 20 bis 30 Jahren wird kein Einfamilienhaus per Wasserstoff beheizt werden. Das ist schlicht nicht realistisch, aus vielen Gründen. Ebenso liefert die Wärmeplanung Anhaltspunkte, was aus dem bestehenden Gasnetz wird. Viele Stadtwerke erzielen derzeit noch einen großen Teil ihrer Erträge mit der Gasversorgung (häufig um die 50 %). Da stellt sich natürlich strategisch die Frage, wie es mit diesem Geschäft weitergeht, wenn zunehmend Gebäude auf andere Wärmelösungen umsteigen. Auch deshalb halte ich es für strategisch sehr klug, dass sich Stadtwerke intensiv mit der kommunalen Wärmeplanung befassen. Würde ich als Bürgermeister oder Aufsichtsrat ein eigenes Stadtwerk vor Ort haben, würde ich erwarten, dass mein Unternehmen sich diesem Thema mit Nachdruck widmet und frühzeitig einen Plan hat, wohin die Reise geht.

DEKOM: Haben denn überhaupt alle Stadtwerke vor Ort die nötige Kompetenz, um eine kommunale Wärmeplanung selbst durchzuführen? Was ist mit kleineren Versorgern ohne eigene Planungsabteilung?

Christian Meyer-Hammerström: Natürlich muss man sagen, nicht jedes Stadtwerk hat diese Kompetenz vollständig im eigenen Haus – das hängt oft von der Betriebsgröße und vom vorhandenen Personal ab. Einige größere Versorger haben sich schon seit Jahren darauf vorbereitet und eigenes Know-how aufgebaut, etwa indem sie Ingenieure für Energie- und Wärmekonzepte eingestellt haben. Aber auch kleinere Stadtwerke können da mitziehen, indem sie Dienstleister einbinden, so wie wir das mit Trianel gemacht haben. Wichtig ist, dass man intern trotzdem genug Verständnis hat, um die externen Leistungen fachlich steuern und beurteilen zu können. Insgesamt halte ich es für eine sehr sinnvolle Investition, sich als Stadtwerk in dieses Thema einzuarbeiten – notfalls auch gemeinsam mit Partnern. Wie gesagt, es geht hier um die künftige Wärmeversorgung vor Ort und damit um ein Kernthema der Daseinsvorsorge. Aus meiner Sicht sollten sich Stadtwerke – egal ob groß oder klein – frühzeitig in die Wärmewende einklinken. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich auf den Fahrersitz setzen und die Richtung mitbestimmen. Letztlich erwarten die Kommunalpolitik und die Bürger das auch: Sie vertrauen darauf, dass „ihr“ Stadtwerk die Herausforderungen der Wärmewende annimmt und kompetent begleitet. DEKOM, 07.07.2025 Mehr Infos hier…

Über Christian Meyer-Hammerström

Christian Meyer-Hammerström ist Alleingeschäftsführer der Osterholzer Stadtwerke im Landkreis Osterholz. Zusätzlich engagiert er sich im BDEW-Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., wo er seit Jahren das Amt des Vizepräsidenten bekleidet und die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland vertritt. Darüber hinaus steht er der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke-Kooperation Trianel GmbH vor und ist Mitglied des Aufsichtsrates.

Christian Meyer-Hammerström lebt Energieversorgung seit Jahrzehnten: Nach einer Ausbildung zum Betriebsschlosser bei der swb in Bremen und anschließenden Tätigkeiten als Fachhandwerker im Gas- und Wasserrohrnetz sowie als Industriemeister in der Aus- und Weiterbildung, absolvierte er ein Wirtschaftsingenieur-Studium mit dem Schwerpunkt Energiewirtschaft. Bei der heutigen swb Vertrieb Bremen war er danach als Teamleiter Key-Account-Management tätig. 2004 wechselte er als Alleingeschäftsführer zu den Gemeindewerken von Ritterhude und Lilienthal. 2010 gestaltete er erfolgreich die Fusion mit den Stadtwerken Osterholz-Scharmbeck.

 

 Über die Osterholzer Stadtwerke:

Die Osterholzer Stadtwerke bieten im gesamten Landkreis Osterholz Strom und Erdgas an. Mit dem eigenen Leitungsnetz über 3.000 Kilometer sichert das Unternehmen die zuverlässige und sichere Energieversorgung in Osterholz-Scharmbeck, Ritterhude und Lilienthal. Weitere Geschäftsbereiche sind Nahwärme- und Trinkwasserversorgung, Entwässerung und Straßenbeleuchtung.

Der Energieversorger ist mehrheitlich in kommunaler Hand und in der Region an acht Standorten vertreten: Hauptsitz mit Verwaltung, technischen Dienstleistungen und Kundenzentrum sowie dem Klärwerk ist in Osterholz-Scharmbeck, ein Kundenzentrum in Ritterhude, Betriebshof und Kundenzentrum in Lilienthal. Vier weitere Kundenzentren befinden sich in Grasberg, Hambergen, Schwanewede und Worpswede, die sich im Rahmen einer Bankenkooperation innerhalb deren Geschäftsstellen befinden.

Das Unternehmen ist mit einem Jahresumsatz von rund 97,8 Millionen Euro (Stand: 31.12.2023) ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Landkreis Osterholz und beschäftigt 161 Mitarbeiter, davon 13 Auszubildende. Das Unternehmen engagiert sich für die Energiewende vor Ort und betreibt in der Region mehrere moderne Blockheizkraftwerke zur dezentralen Energieversorgung sowie Fotovoltaikanlagen. Die Erzeugung erneuerbarer Energien unterstützen die Osterholzer Stadtwerke vor Ort und bundesweit: über Kooperationen und Beteiligungen wird der Bau von Onshore-Windparks sowie PV-Freiflächen in der Region und auch deutschlandweit vorangetrieben.  Mehr Infos hier…

 

 

Sommerhitze und Wasserversorgung – Herausforderungen und Handlungsoptionen für Kommunen

Die zunehmende Sommerhitze und anhaltende Trockenperioden stellen die kommunale Trinkwasserversorgung vor wachsende Herausforderungen. Jüngste Ereignisse in Schleswig-Holstein verdeutlichen das Problem: Im Kreis Pinneberg mussten Stadtwerke vor akuter Wasserknappheit warnen. In Pinneberg und Tornesch fiel der Wasserdruck zeitweise drastisch ab – mancherorts kam aus dem Hahn nur noch ein Rinnsal.

Die Ursache liegt in einer verhängnisvollen Kombination aus anhaltender Trockenheit und extremen Verbrauchsspitzen: Während Hitzewellen steigt die Beanspruchung der Wassernetze lokal um bis zu 60 Prozent. Dies führt zu leeren Speichern und instabilen Versorgungsdrücken, sobald zu viel Wasser gleichzeitig entnommen wird. Um akute Engpässe zu vermeiden, sahen sich Versorger gezwungen, Bürger zum Wassersparen aufzurufen – Pools nicht zu befüllen, Rasen nicht zu sprengen, Autos nicht zu waschen. Solche Szenarien traten in den vergangenen Jahren bei längeren Trockenperioden wiederholt auf und verdeutlichen ein strukturell wachsendes Problem.

Klimawandel als Treiber steigender Herausforderungen

Der Klimawandel verschärft diese Entwicklung erheblich. Extreme Hitze und ausbleibender Regen treten häufiger auf und belasten regionale Wasserressourcen sowie die bestehende Infrastruktur. Zwar sind Grundwasservorräte in vielen Gebieten noch ausreichend vorhanden, doch Aufbereitungskapazitäten und Verteilnetze stoßen an ihre Grenzen, wenn sehr viel Wasser in kurzer Zeit nachgefragt wird.

Kommunen in ganz Deutschland arbeiten daher verstärkt an Klimaanpassungsstrategien. Laut Deutschem Institut für Urbanistik haben bereits rund 80 Prozent der Städte und Gemeinden Maßnahmen zur Anpassung an Klimafolgen wie Hitze auf den Weg gebracht. Die jüngsten Extremereignisse führen vor Augen, dass Klimaanpassung keine freiwillige Kür, sondern eine dauerhafte Notwendigkeit darstellt. Bund und Länder haben reagiert: 2023 wurde eine Nationale Wasserstrategie beschlossen, um die Wasserver- und Abwasserentsorgung in Zeiten des Klimawandels langfristig zu sichern.

Versorgungssicherheit als oberste Priorität

Für kommunale Entscheider steht die Versorgungssicherheit im Trinkwasserbereich an oberster Stelle – insbesondere in den Sommermonaten. Bürger erwarten zu Recht, rund um die Uhr ausreichend Wasser in einwandfreier Qualität zu erhalten. Schon kleinere Versorgungsengpässe oder Einschränkungen können zu erheblichem Unmut in der Bevölkerung führen und das Vertrauen in die Stadtwerke nachhaltig beeinträchtigen. Deshalb gilt es, vorausschauend zu handeln. Dabei geht es neben langfristigen Infrastrukturmaßnahmen auch um organisatorische und technische Lösungen, die kurzfristig Wirkung zeigen.

Innovative Wassereinsparung durch verlustfreie Armaturenwechsel

Eine bewährte und technisch ausgereifte Methode zur Wassereinsparung ist die Minimierung von Wasserverlusten bei Reparatur- und Wartungsarbeiten im Versorgungsnetz. Die Firma ArmEx Solutions hat hierfür eine innovative Lösung entwickelt: Der ArmEx-Armaturenwechsler ermöglicht den Austausch defekter oder veralteter Hausanschlussarmaturen unter vollem Betriebsdruck – ganz ohne Absperrung, Entleerung oder Spülverluste.

Die Vorteile sind beeindruckend: Pro Wechselvorgang werden 20.000 bis 30.000 Liter aufbereitetes Trinkwasser eingespart. Gleichzeitig bleibt die Versorgung der angeschlossenen Haushalte kontinuierlich stabil. Nächtliche Notabschaltungen gehören der Vergangenheit an, Verkehrsbehinderungen entfallen. Zusätzlich erhöht sich die hygienische Sicherheit erheblich, da Rückflüsse und Druckschwankungen vollständig vermieden werden.

Für Stadtwerke ergeben sich daraus klare Mehrwerte: geringerer Arbeitsaufwand, höhere Betriebssicherheit und ein messbarer Beitrag zur Ressourcenschonung. Nicht zuletzt senden sie damit ein starkes Signal nach innen und außen, dass Wassereinsparung auch in der eigenen Organisation konsequent gelebt wird.

Technologische Lösungen als Notwendigkeit

Technologien wie der ArmEx-Armaturenwechsler werden zunehmend zu einer notwendigen Maßnahme, um die Versorgung in Hitzesommern sicherzustellen und dabei gleichzeitig den CO₂-Fußabdruck zu senken. Solche Lösungen zeigen, dass Klimaanpassung auch im laufenden Betrieb möglich ist – ohne langwierige Planungsverfahren, große Investitionen oder umfangreiche Kommunikation mit Anliegern.

Handlungsempfehlungen für kommunale Entscheider

Für Versorger und Kommunen lohnt es sich, solche innovativen Ansätze zu prüfen und aktiv in die eigene Klimastrategie zu integrieren. Ein professioneller, sparsamer Umgang mit Trinkwasser im eigenen Verantwortungsbereich stärkt nicht nur die Leistungsfähigkeit der Netze – er erhöht auch die Glaubwürdigkeit der Kommune gegenüber der Bürgerschaft.

Dies wiederum kann die Akzeptanz notwendiger, aber unpopulärer Wassersparmaßnahmen in Hitzeperioden deutlich erhöhen. Denn wenn Kommunen als Vorbild vorangehen und demonstrieren, dass sie selbst jeden Tropfen Wasser verantwortungsvoll nutzen, steigt die Bereitschaft der Bürger, temporäre Einschränkungen mitzutragen und eigene Sparmaßnahmen zu ergreifen. (DEKOM, 07.07.2025) Mehr Infos hier…

Trockenheit und Wassermangel – Wiederverwendung wichtiger Baustein nachhaltiger Nutzung

Zehn Eimer Wasser. Lediglich 96 Liter Niederschlag meldet der Deutsche Wetterdienst pro m² für das meteorologische Frühjahr 2025. Wasser in ausreichender Menge und Qualität ist auch in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr. Der Klimawandel führt zu höheren Temperaturen, der Klimawandel führt zu langen und heißen Trockenphasen. Die knapper werdende Ressource Wasser muss intelligent und nachhaltig genutzt werden, um allen Nutzungsansprüchen bestmöglich gerecht werden zu können. „Die Nutzung von behandeltem und hygienisierten Abwasser ist hier ein wichtiger Baustein“, betont Dr. Lisa Broß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). „Um die gezielte und sichere Wasserwiederverwendung in Deutschland zu unterstützen, hat die DWA jetzt mit der neuen Merkblattreihe M 1200 Wasserwiederverwendung für landwirtschaftliche und urbane Zwecke in Deutschland eine umfassende und praktische Handlungshilfe veröffentlicht.“ Die Wasserwiederverwendung, die Nutzung von speziell aufbereitetem Wasser zur Bewässerung, hat insbesondere in der Landwirtschaft in Südeuropa eine lange Tradition. Zur Vereinheitlichung der Mindestanforderungen an die Wasserwiederverwendung hat die Europäische Union im Sommer 2020 die EU-Verordnung zur Wasserwiederverwendung (EU 2020/741) verabschiedet. Seit 2023 in allen Mitgliedstaaten in Kraft, regelt sie verbindlich die Anforderungen an die Wasserqualität sowie an das Risikomanagement und die sichere Verwendung von aufbereitetem Wasser zur Wiederverwendung. In Deutschland arbeitet das Bundesumweltministerium gegenwärtig an der konkretisierenden Bundesverordnung zur Wasserwiederverwendung. Mit der Merkblattreihe DWA-M 1200 „Wasserwiederverwendung für landwirtschaftliche und urbane Zwecke in Deutschland“ stellt die DWA eine in enger Abstimmung mit den zuständigen Bundesministerien und nachgeordneten Behörden erarbeitete Handlungshilfe für die mit der Wasserwiederverwendung aufkommenden Planungs- und Betreiberaufgaben sowie die behördlichen Genehmigungsverfahren bereit. Die Merkblattreihe DWA-M 1200 berücksichtigt internationale und deutsche Regelwerke und Richtlinien und greift den ganzheitlichen Ansatz des DWA-Themenbands „Non-Portable Water Reuse“ bezüglich der Wasserwiederverwendung auf. DWA, 01.07.2025 Ganzer Artikel hier…

 

KfW-Kommunalpanel: Kommunen beklagen weiter steigenden Investitionsstau

Die Kommunen in Deutschland berichten über einen immer weiter steigenden Investitionsstau. Bei der jährlichen Befragung zum KfW Kommunalpanel bezifferten sie den wahrgenommenen Investitionsrückstand auf 215,7 Milliarden Euro. Das ist ein Rekordwert und ein Anstieg um 15,9 Prozent oder 29,6 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Beim wahrgenommenen Investitionsrückstand handelt es sich um die Summe, die die Kommunen heute investieren müssten, um ihre Infrastruktur in Qualität und Quantität wieder in einen adäquaten Zustand zu bringen.

Das KfW-Kommunalpanel beruht auf einer bundesweit repräsentativen Befragung der Kämmereien von Städten und Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern sowie allen Landkreisen, die im Auftrag von KfW Research durch das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) seit 2009 jährlich durchgeführt wird. Die Befragung für die aktuelle Ausgabe fand von Januar bis März 2025 statt.

Den größten Investitionsrückstand sehen die Kommunen einmal mehr bei den Schulgebäuden. Hier beträgt die Lücke 67,8 Milliarden Euro oder 31 Prozent des gesamten Investitionsstaus. Darauf folgt die Straßen- und Verkehrsinfrastruktur mit 53,4 Milliarden Euro oder 25 Prozent des Investitionsrückstands.

„Der starke Anstieg bei den Schulgebäuden könnte mit dem gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem Jahr 2026 für Kinder im Grundschulalter zusammenhängen. Den Kommunen wird nun bewusst, dass sie hier noch Nachholbedarf haben“, sagt Dr. Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW.

Insgesamt geben 56 Prozent der Kommunen einen nennenswerten oder gravierenden Investitionsrückstand bei den Schulgebäuden an. Dabei ergibt sich ein starker Zusammenhang mit der Kommunengröße: Während in der Größenklasse 2000 bis 5000 Einwohner knapp etwas mehr als die Hälfte der Kommunen einen nennenswerten oder gravierenden Rückstand bei den Schulgebäuden sehen, steigt der Anteil auf knapp 90 Prozent bei Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern. Zudem machen Kommunen in Süddeutschland deutlich seltener einen starken Investitionsrückstand aus als jene in Nordrhein-Westfalen oder im Südwesten Deutschlands, also in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland.

Zurückzuführen ist der Investitionsrückstand auch auf Probleme beim Unterhalt. Insgesamt gaben in der Befragung 19 Prozent aller Kommunen an, dass sie sich den Unterhalt ihrer Infrastruktur nur im geringen Umfang oder gar nicht mehr leisten können. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor. Beim Thema Straßenbau gaben das sogar 32 Prozent an, sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.

Um der Lage Herr zu werden, planen die Kommunen für 2025 insgesamt 48 Milliarden Euro an Investitionen. Im Vorjahr waren es 47 Milliarden Euro, 2023 lag die Planung bei 43 Milliarden Euro. Allerdings werden nicht alle geplanten Investitionen tatsächlich verausgabt. Im Jahr 2024 gaben die Kommunen dafür laut Hochrechnung lediglich 30 Milliarden Euro aus.

„Hier spielen auch nicht-monetäre Hemmnisse eine Rolle, etwa mangelnde personelle Ausstattung in den Bauämtern, komplexe Dokumentationspflichten und langwierige Genehmigungsverfahren“, sagt Dr. Dirk Schumacher.

„Das Sondervermögen Infrastruktur der Bundesregierung wird auch den Kommunen zugutekommen. Hier ist es wichtig, dass das Geld zwar zielgerichtet, aber möglichst unbürokratisch verteilt wird.“ (KfW, 01.07.2025) Ganzer Artikel hier…