Wir müssen zuerst das Trinkwasser schützen

Mit dem neuen Sondervermögen für Infrastruktur will die Bundesregierung einen Impuls setzen, um den Investitionsstau bei der öffentlichen Hand aufzulösen. Die Modernisierung von Verkehrswegen, Energie- und Wassernetzen sowie der digitale Ausbau stehen ganz oben auf der Agenda. Der Bedarf ist enorm – und die Erwartungen entsprechend hoch.

Kaum jemand kennt die Entwicklungen im Bereich kommunaler Infrastrukturinvestitionen so gut wie Carsten Schweneker, CEO der EBERO AG. Die EBERO AG ist die Muttergesellschaft der europaweit tätigen EBERO-Gruppe, zu der mit EBERO FAB einer der führenden Infrastrukturausstatter für die öffentliche Hand in Deutschland gehört.

Schweneker ist eng mit dem operativen Geschäft verbunden: Seit Jahrzehnten liefert seine Unternehmensgruppe die technische Ausstattung für leitungsgebundene Systeme – darunter Strom, Wasser, Abwasser und digitale Infrastruktur. Wenn Kommunen, Stadtwerke oder Netzbetreiber großflächig investieren, wirkt sich das häufig auch direkt bei EBERO FAB aus.

Im Gespräch mit dem Deutschen Kommunalinformationsdienst (DEKOM) erklärt Schweneker, wo bereits erste Signale sichtbar sind, welche strukturellen Hürden bestehen – und welche Prioritäten Kommunen jetzt setzen sollten.

DEKOM: Herr Schweneker, mit dem Sondervermögen für Infrastruktur soll die Modernisierung unseres Landes vorangebracht werden. Der Städte- und Gemeindebund erwartet einen regelrechten Investitionsboom und wittert schon Aufbruchstimmung in den Kommunen. Schlägt sich das so bereits auch im Tagesgeschäft von EBERO FAB nieder…?

Schweneker: Also vorweg: Das Sondervermögen begrüße ich ausdrücklich. Aber letztlich wird damit nur nachgeholt, was eigentlich seit Jahrzehnten versäumt wurde. Was die Aufbruchstimmung betrifft: In unserem Tagesgeschäft ist das im Moment noch nicht wirklich spürbar. Die Gelder müssen ja erstmal verteilt werden – und da sind viele Stellen, die sagen: Wir brauchen den Großteil. Angefangen bei der Deutschen Bahn, dann kommen Straßen, Brücken – und irgendwann vielleicht auch mal die leitungsgebundene Infrastruktur. Ich denke, das wird noch Wochen oder Monate dauern, bis es überhaupt einen Verteilungsschlüssel gibt. Und dann muss das, was zur Verfügung steht, ja auch erstmal geplant werden. Dann folgen Ausschreibungen – und wenn schließlich etwas umgesetzt wird, dann merken wir das im Tagesgeschäft. Ich rechne da eher mit einem Zeithorizont im nächsten oder sogar erst im übernächsten Jahr.

Was man aber sagen kann: Es ist durchaus spürbar, dass zum Beispiel beim Trinkwasser mehr investiert wird – weil das Thema stärker im Bewusstsein angekommen ist. Da gibt es erste Projekte, obwohl das Sondervermögen noch gar nicht konkret wirkt.

DEKOM: Sie beklagen seit längerem einen eklatanten Investitionsstau bei der öffentlichen Hand – von maroden Trinkwasserleitungen über veraltete und entsprechend energiehungrige Straßenbeleuchtungen bis hin zum nach wie vor eher schleppenden Breitbandausbau. Wo fängt man an? Wie sollten Bürgermeister und Kommunalverantwortliche aus Ihrer Sicht priorisieren?

Schweneker: Wenn ich mir Gedanken über Priorisierung mache, dann würde ich als erstes immer sagen: Wir müssen das Lebensmittel Nummer eins – das Trinkwasser – schützen. Hier muss investiert werden. Die durchgehende Überwachung der unterirdischen Infrastruktur kann mittels moderner Monitoringsysteme ohne weiteres gewährleistet werden. Leider ist das so heute noch nicht der Fall. Sobald das Wasser aus dem Wasserwerk ins Leitungssystem eingespeist wird, wird es kontrolliert. Aber danach passiert nichts mehr – bis es beim Verbraucher ankommt. Dazwischen ist keine weitere Kontrollinstanz. Das kann nicht sein – hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Hinzu kommt: Wir werden eine Wasserknappheit erleben – das ist ja gerade wieder Thema in den Medien. Der Klimawandel hat direkten Einfluss auf das Trinkwasser. Im Bodensee z. B. sinkt der Pegel stetig. Gleichzeitig wird das Wasser wärmer. Dadurch können sich Bakterien stärker vermehren.  Wir müssen also auch intensiv darüber nachdenken, wie das vorhandene Wasser sinnvoll verteilt wird. Neben der Qualität geht es also auch um die Verfügbarkeit. 

Das ist für mich der wichtigste Punkt, auf den ein Bürgermeister achten sollte. Und an zweiter Stelle steht dann der Breitbandausbau – um so viel wie möglich zu digitalisieren. Das benötigen wir ja auch, um das Trinkwassernetz zu überwachen. Und wenn wir über die Energiewende sprechen, dann müssen die erzeugten Energiemengen – aus Sonne, Wind oder anderen Quellen – auch dahin gebracht werden, wo sie gebraucht werden. Das geht nur mit digitaler Steuerung. Dazu brauchen wir Umweltdaten, um auch vorausschauend handeln zu können.

Deshalb mein Vorschlag: Erst Trinkwasser sichern und monitoren. Dann digitalisieren – angefangen bei der Wasserversorgung bis hin zu den Energiesystemen. Das wäre für mich die logische Priorisierung.

DEKOM: Wenn alle Kommunen großen Nachholbedarf haben und jetzt mit ihren Infrastrukturprojekten loslegen wollen, gibt es angesichts des Fachkräftemangels überhaupt ausreichend Kapazitäten? Drohen gar mögliche Materialengpässe? Aus dem Stadtwerke- und EVU-Umfeld war zuletzt zu hören, dass im Jahr 2026 etwa Trafostationen knapp werden könnten – sehen Sie an dieser Stelle oder bei anderen Gewerken auch Verfügbarkeitsprobleme?

Schweneker: Also den Fachkräftemangel sehen wir auf jeden Fall – da müssen wir uns anstrengen, dass wir die besten Leute für diese Aufgaben bekommen. Vielleicht ergibt sich aber auch eine Chance: In einigen anderen Wirtschaftsbereichen sehen wir ja gerade einen konjunkturellen Abschwung. Da könnte man vielleicht Personal für unsere Themen gewinnen.

Was die Materialien betrifft: Allgemeine Engpässe sehe ich derzeit nicht. Aber bei allem, was zur „All Electric“-Welt gehört, wird es eng: Dazu zählen definitiv Trafostationen, Kabel und Verbindungssysteme. Da wird es aus meiner Sicht schon im nächsten Jahr spürbare Engpässe geben.

Was man dazu sagen muss: Aktuell kaufen vor allem deutsche Elektrizitätsunternehmen bei deutschen Herstellern. Da müssten wir dringend europäisch und langfristig sogar weltweit denken. Das betrifft auch die Zulassungen – Produkte, die in anderen Ländern funktionieren, sollten auch in Deutschland einsetzbar sein. Sonst bekommen wir hier massive Engpässe – und das wird zur echten Bremse und zu einem immensen Kostenfaktor.

DEKOM: Langwierige Genehmigungsverfahren, detaillierte Berichtspflichten für Unternehmen und Zuständigkeiten verschiedenster Behörden ziehen Infrastrukturprojekte und öffentliche Bauvorhaben immer häufiger in die Länge und verteuern sie immens. Wie ließe sich aus Ihrer Sicht verhindern, dass die Infrastrukturmilliarden in den Sedimentschichten der Bürokratie versickern?

Schweneker: Das ist tatsächlich ein riesiges Problem. Wir brauchen vereinfachte Genehmigungsverfahren – und vor allem weniger Einspruchsmöglichkeiten. Wenn etwas für die Allgemeinheit sinnvoll oder notwendig ist, dann müssen Individualinteressen eben auch mal zurückstehen.

Was viele nicht wissen: Dort, wo neue Wasserleitungen oder Kabeltrassen verlegt werden, liegen ja oft schon bestehende Leitungen. Es liegt ja kein weiteres schützenswertes Interesse vor, nur weil statt einem Kabel jetzt zwei da liegen. In solchen Fällen muss es einfach schneller gehen. Das zeigt ja auch das Beispiel der LNG-Terminals – die wurden quasi über Nacht genehmigt und gebaut. Wir können das also – wir müssen nur die bürokratischen Hürden abbauen.

DEKOM: Unternehmen monierten zuletzt häufig fehlende Planungssicherheit – z. B. beim Hochlauf der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität oder in Bezug auf die Wärmewende/Wärmeplanung. Können Sie bei EBERO FAB zuletzt auch eine Verunsicherung oder Zurückhaltung Ihrer Kunden in diesen Bereichen feststellen – und welche Forderungen oder vorsichtig formuliert: Wünsche haben Sie in diesem Zusammenhang an die Politik?

Schweneker: Ja, absolut. Ich kann Ihnen dazu ein konkretes Beispiel geben: Wir hatten vor einigen Jahren gute Erfahrungen beim Nahwärmeausbau – etwa in Schleswig-Holstein, wo große Biogasanlagen entstanden sind. Als es dann hieß, der Wärmeausbau solle gefördert werden, haben wir investiert: Lager eingerichtet, Fahrzeuge angeschafft, um solche Systeme ausliefern zu können. Zwei Jahre lang lief das auch gut. 

Dann kam aber der Stopp und die kommunale Wärmeplanung wurde vorgeschrieben, die Kommunen bekamen je nach Größe zwei bzw. vier Jahre Zeit, zunächst einmal Konzepte zu entwickeln. Seitdem haben wir in diesem Segment keinen Meter Rohr und keine einzige Anlage mehr verkauft. Der Markt ist komplett zum Stillstand gekommen. Ich bin sicher: Der kommt wieder – aber mit zwei bzw. vier Jahren Verzögerung.

Was ich mir von der Politik wünsche? Entscheidungen, die zu Ende gedacht und abgestimmt sind. Und die dann auch mal durchgehalten werden – mindestens über die vier Jahre einer Legislaturperiode. Noch besser wären acht. Aber dieses ständige Infragestellen, das Umwerfen von Entscheidungen – das hilft niemandem. Unsere Kunden sind verunsichert, und dann wird einfach nicht mehr investiert. So kann die Energiewende nicht gelingen.

Vielen Dank! (DEKOM, 28.04.2025) Mehr Infos hier…

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