Stadt Nürnberg: Digitalisierung als strategische Antwort auf den Fachkräftemangel

Interview mit Elisabeth Ries, Referentin für Jugend, Familie und Soziales der Stadt Nürnberg. Die Stadt Nürnberg zählt zu den Vorreitern bei der Digitalisierung kommunaler Verwaltungsprozesse – auch im sensiblen Bereich der Wohngeldbearbeitung. Angesichts rasant steigender Antragszahlen und zunehmender Personalengpässe setzt Nürnberg seit 2023 auf ein Zusammenspiel aus Robotik Process Automation (RPA) und Künstlicher Intelligenz. In einem bundesweit beachteten Pilotprojekt wurde ein intelligentes Assistenzsystem entwickelt, das die Sachbearbeitung entlastet und die Qualität der Verfahren erhöht. Im Gespräch mit DEKOM erklärt Elisabeth Ries, wie die automatisierte Bearbeitung funktioniert, welche Effekte das System bereits zeigt – und warum Digitalisierung für sie kein Selbstzweck, sondern Teil einer zukunftsfesten kommunalen Daseinsvorsorge ist.

Wie erfolgt aktuell die Überprüfung eingehender Wohngeldanträge in Nürnberg?

Elisabeth Ries: Seit 2023 wurden in der Wohngeldstelle des Sozialamtes zentrale Prozesse optimiert und konsequent digitalisiert. Neben der eAkte wurde zunächst ein auf RPA-Software basierender Wohngeldroboter eingeführt. Der Wohngeldroboter arbeitet auf der Ebene der grafischen Benutzeroberfläche und führt bei Onlineanträgen einige Arbeitsschritte aus, die ansonsten durch eine Sachbearbeiterin / einen Sachbearbeiter durchgeführt werden müssten (Auslesen von Daten und Übertragung in die Fachsoftware, Anlegen der eAkte usw.). Diese Komponenten wurden zwischenzeitlich durch ein KI – Tool ergänzt. Ziel ist es, die Vollständigkeitsprüfung durch die Kombination von RPA und KI weitgehend zu automatisieren. Die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter werden so von lästigen Routineaufgaben entlastet und greifen erst dann in den Prozess ein, wenn dieser vollständig und bearbeitungsreif ist. Die Antragsbearbeitung und Verbescheidung mit Rechtswirkung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern bleibt weiterhin in der Verantwortung der Sachbearbeitung.

Welche konkreten Aufgaben übernimmt die Künstliche Intelligenz in Ihrer Wohngeldstelle?

Elisabeth Ries:
Das entwickelte und erprobte KI-Tool hat im Kern die Funktion einer Assistenz für die Sachbearbeitung. Die KI erkennt und liest eingereichte Nachweise wie den Antrag, Einkommensbescheinigungen, Mietverträge oder Rentenbescheide automatisiert aus. Sie prüft, ob die Angaben vollständig und widerspruchsfrei sind, und ermittelt, welche Unterlagen eventuell noch fehlen. Alle analysierten Daten und Dokumente werden in einem Bearbeitungscockpit strukturiert und übersichtlich dargestellt. Weiterhin werden Bearbeitungshinweise und Empfehlungen für die Sachbearbeitung erstellt und auf Anforderung die entsprechenden Schreiben zur Korrespondenz mit den Antragstellenden erzeugt. In Kombination mit dem bereits seit längerem beim Sozialamt eingesetzten auf rpa – Technologie basierten „Wohngeldroboter“ entstehen so teilautomatisierte Verwaltungsprozesse.

Wie bewerten Sie die Auswirkungen des KI-Einsatzes auf Bearbeitungszeiten, Fehlerquoten und die Arbeitsbelastung Ihres Teams?

Elisabeth Ries: Aktuell befindet sich das KI – Tool noch in einer fortgeschrittenen Testphase. In den genannten Funktionsbereichen hat sich im Testbetrieb eine sehr niedrige Fehlerquote von lediglich rund 1,5 % gezeigt. Die meisten der im Testbetrieb aufgetretenen Fehler konnten direkt im Rahmen des Trainings bereinigt werden.

Die KI-Lösung zur Bearbeitung von Wohngeldanträgen bringt aus Sicht der Verwaltung zahlreiche Vorteile mit sich. Sie ermöglicht einen effizienten, genauen und einheitlichen Bearbeitungsstandard. Dies kommt sowohl der Sachbearbeitung als auch den Antragstellenden zugute. In nur wenigen Wochen ist es gelungen, das KI-Tool fachlich so hochwertig zu trainieren, dass künftig mehr als 90% der Anforderungsschreiben automatisiert erstellt und versendet werden können. Die Implementierung im Echtbetrieb würde zu einer signifikanten Effizienzsteigerung und Zeitersparnis beitragen. Hinzu käme eine weitere Effizienzsteigerung, sobald eine Anbindung über eine Schnittstelle oder andere Techniken (z.B. RPA) an das Fachverfahren und an das Dokumentenmanagementsystem erfolgt und die Daten automatisiert dorthin übertragen werden.

Die Vorteile des KI-Tools werden jedoch nicht nur in der Steigerung der Arbeitseffizienz gesehen, sondern auch in einer Verbesserung der Prozessqualität. So wird durch einen umfassenden Einblick in alle eingereichten Unterlagen des Antragsverfahrens und deren strukturierte Darstellung nicht nur die Bearbeitung von Anträgen beschleunigt, sondern auch die Qualität des gesamten Verfahrens erhöht. Durch gezielte Hinweise für die Sachbearbeitung reduziert das System die Fehlerquote und gleichzeitig übernimmt das KI-Tool insgesamt mehr Bearbeitungsschritte. Dies führt auch zu einer Entlastung und damit einhergehend zu einer höheren Zufriedenheit bei den Mitarbeitenden, die durch die KI eine leistungsfähige Assistenz an die Seite gestellt bekommen. Auch die Antragstellenden werden zukünftig durch schnellere Rückmeldungen, weniger Rückfragen und insgesamt transparentere Verfahren profitieren. (DEKOM, 10.06.2025) Mehr Infos hier…

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