Grundsicherung: 2026 erneute Nullrunde wahrscheinlich

In der Grundsicherung wird es aller Voraussicht nach eine Nullrunde im Jahr 2026 geben, weil der Regelsatz zuvor in Anbetracht hoher Inflation zu stark angehoben wurde. Denn die regelbedarfsrelevanten Preise stiegen von Januar 2024 bis April 2025 moderat. Die neue Bundesregierung plant das Bürgergeld zeitnah umzubenennen und im Zuge dessen unter anderem die Anpassung des Regelbedarfs an die Preisentwicklung zu ändern. Nach bisheriger Rechtslage wird es zum Jahresbeginn 2026 wieder zu einer Nullrunde beim Regelsatz in der Grundsicherung für Arbeitssuchende kommen. Das liegt daran, dass die regelbedarfsrelevanten Preise seit Januar 2024 deutlich langsamer stiegen als erwartet. Die Politik täte gut daran, die Nullrunde für 2026 beizubehalten und die „ergänzende Fortschreibung“ aus § 28 a, SGB XII ab 2026 neu zu regeln. Die Höhe des Bürgergeldes steht im Spannungsfeld zwischen sozialer Existenzsicherung und ökonomischen Anreizstrukturen. Es umfasst neben dem Regelbedarf auch die Kosten der Unterkunft sowie bedarfsabhängige Zusatzleistungen. Der Regelbedarf soll das sozio-kulturelle Existenzminimum sichern und wird regelmäßig an die Preis- und Lohnentwicklungen angepasst. Diese Regelbedarfsanpassungen werden immer wieder kontrovers diskutiert. Kritiker befürchten, dass ein zu geringer Lohnabstand die Erwerbsanreize mindert, insbesondere im Niedriglohnbereich. Befürworter hingegen betonen die Notwendigkeit, das Existenzminimum abzubilden – insbesondere angesichts steigender Lebenshaltungs- und Energiekosten. Die Relation zur Preis- und Lohnentwicklung bleibt ein zentraler Maßstab für die gesellschaftliche Akzeptanz der Grundsicherung. Die Kaufkraft des Bürgergeldes schwankt mit der Preisentwicklung des regelbedarfsrelevanten Preisindex (RPI). Übersteigt der RPI die Anpassung des Regelsatzes, sinkt die Kaufkraft. Seit Sommer 2021 stieg der RPI stark, besonders zu Beginn des Ukrainekrieges. Als Reaktion wurde mit der Bürgergeld-Reform 2023 eine ergänzende Fortschreibung in dem Anpassungsmechanismus des Regelbedarfs eingeführt. Die Reform des Anpassungsmechanismus im Bürgergeld-Gesetz zielte auf Inflationsschutz für Transferempfänger, denen oft finanzielle Puffer fehlen. Diese Methode koppelt die Regelsatzanpassung gleich zweifach an die Preisentwicklung aus dem Vorjahr, was kurzfristige Preisschübe nur verzögert abbildet und auch keine Inflationserwartungen berücksichtigt. Für das Jahr 2023 wurde damit die Preisentwicklung unterschätzt. 2024 hingegen führte der Mechanismus zu einem überproportionalen Anstieg des Regelbedarfs im Vergleich zur sich verlangsamenden Preisentwicklung. Für 2025 und voraussichtlich auch für 2026 folgt(e) keine Regelsatzerhöhung – trotz möglicher Kaufkraftverluste im Vorjahresvergleich. Der Fortschreibungsmechanismus müsste künftig neu geregelt werden, um die Reaktionszeit auf die Preisentwicklung zu verkürzen. Zum Beispiel könnte der Durchschnitt von Prognosen des Verbraucherpreisindex für das nachfolgende Jahr von Consensus Forecast oder andere verwendet werden, sobald die Inflationsrate mit mehr als 3 Prozent deutlich über der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt. Als beispielsweise im September 2022 die Inflationsprognose von den führenden Forschungsinstituten laut Consensus Forecasts für das Jahr 2023 mit 5,8 Prozent erheblich über dem symmetrischen 2-Prozent-Ziel der EZB lag, hätte im Reform-Vorschlag zum Jahresbeginn 2023 eine Alleinstehende 518 Euro Regelsatz bekommen, was 16 Euro über dem damaligen Gesetzesstand gelegen hätte, aber besser zur Preisentwicklung im Regelbedarf passt als die niedrigere Anpassung im Status quo. Im Jahr 2024 hätte es im Reform-Vorschlag eine geringfügige Erhöhung von 3 Euro gegeben, 2025 wäre der Regelbedarf auf insgesamt 536 Euro für Alleinstehende gestiegen. Da die Inflationsprognosen für die Jahre 2024, 2025 und 2026 von Consensus Forecast aus dem September der Vorjahre unterhalb von 3 Prozent im Jahresdurchschnitt lagen, würde bei den Regelbedarfsanpassungen im Reform-Vorschlag für die Jahre ab 2024 keine ergänzende Fortschreibung greifen, sondern allein die Basisfortschreibung. Künftige Debatten über zu hohe oder zu niedrige Regelbedarfe könnten deutlich versachlicht werden, indem eine ergänzende Fortschreibung nur dann Anwendung findet, wenn der erwartete Verbraucherpreis um mehr als 3 Prozent steigt. Die Anpassung des Regelbedarfs würden demnach zeitnah auf aktuelle Preisentwicklungen reagieren und in kleineren Schritten erfolgen, dafür jedoch regelmäßig. Eine übermäßige Anpassung wie 2024 mit darauffolgenden Nullrunden würde vermieden. (IW Köln, 20.07.2025) Ganzer Artikel hier…

Print Friendly