Bürgergeldempfänger: Viele gesundheitlich eingeschränkt – Jobvermittlung stockt
Rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland sind arbeitslos und beziehen Bürgergeld – formal gelten sie als erwerbsfähig. Doch wie groß ist tatsächlich die Bereitschaft und Fähigkeit, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen? Eine neue repräsentative Untersuchung des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) für die Bertelsmann Stiftung (BS) bei Leistungsberechtigten zwischen 25 und 50 Jahren liefert erstmals belastbare Einblicke – und zeigt deutliche Defizite im System. Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) gibt an, in den vier Wochen vor der Befragung überhaupt nicht nach einem Job gesucht zu haben. Männer sind mit 53 Prozent etwas aktiver als Frauen (63 Prozent ohne Suche). Und selbst unter denen, die sich bemühen, bleibt der Aufwand meist überschaubar: Nur gut ein Viertel investiert bis zu neun Stunden pro Woche, sechs Prozent über 20 Stunden. Ein zentrales Hemmnis ist die Gesundheit. 45 Prozent der Befragten berichten von psychischen oder chronischen Erkrankungen, die ihnen eine reguläre Erwerbstätigkeit erschweren. Unter den Nicht-Suchenden sind es sogar 74 Prozent, die gesundheitliche Gründe als wichtigsten Faktor nennen. Für viele bedeutet das: Sie möchten arbeiten, fühlen sich aber nicht in der Lage, die Erwartungen des Arbeitsmarktes zu erfüllen. Erstaunlich schwach fällt zugleich die Unterstützung der Jobcenter aus. Knapp 43 Prozent der Befragten haben nach eigenen Angaben noch nie ein konkretes Stellenangebot erhalten. Fast ebenso viele berichten, bei Weiterbildungsangeboten leer ausgegangen zu sein. Die Chancen auf Vermittlung hängen erkennbar vom Bildungsniveau ab: Wer einen Berufsabschluss hat, wird häufiger angesprochen; bei Alleinerziehenden und Frauen mit kleinen Kindern ist das Angebot besonders dünn. Neben gesundheitlichen Gründen nennen 49 Prozent der nicht aktiv Suchenden fehlende passende Stellen als Barriere. 25,5 Prozent bezweifeln, dass sich Arbeit finanziell lohnen würde. Rund 22 Prozent sind durch Betreuung von Kindern oder Angehörigen gebunden. Elf Prozent halten sich mit kurzfristigen Aushilfstätigkeiten über Wasser – ein Hinweis darauf, dass der Übergang in Schwarzarbeit fließend sein kann. Die Befunde zeigen ein zweigeteiltes Bild: Ein erheblicher Teil der Leistungsberechtigten braucht mehr gesundheitliche und soziale Unterstützung, um überhaupt belastbar zu werden. Ein anderer Teil bräuchte hingegen klarere Vermittlungsimpulse und eine konsequente Begleitung durch die Jobcenter. „Fördern und Fordern“ bleibt hier der Kernanspruch – doch an beiden Enden gibt es Nachholbedarf: verlässlichere Kinderbetreuung, mehr Qualifizierung, weniger Verwaltung, mehr Vermittlung; zugleich aber klare Linie bei Leistungsbeziehenden, die zumutbare Angebote ohne Grund ablehnen. Langfristig droht ohne Kurskorrektur ein wachsendes Abseitsstehen: Wer zu lange im Bürgergeld bleibt, verliert fachliche Kompetenzen, berufliche Kontakte – und die Perspektive auf Teilhabe. Für Kommunen und Arbeitsverwaltung stellt sich daher die Frage, ob die Instrumente die richtigen sind: Menschen, die arbeiten können, müssen schneller in Beschäftigung kommen. Und diejenigen, die es trotz aller Bemühungen nicht können, benötigen Unterstützung, die ihren Problemen tatsächlich entspricht – nicht nur eine Akte beim Jobcenter. (Bertelsmann-Stiftung, 04.12.2025) Ganzer Artikel hier…
