Gastbeitrag von Boris Mijatovic: Warum die Bundespolitik die Kommunen jetzt nicht im Stich lassen darf
Boris Mijatovic, Mitglied des Deutschen Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen und Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe seiner Fraktion, analysiert in seinem Gastbeitrag die kommunalen Auswirkungen der jüngsten Bundeshaushalte 2025 und 2026. Seine These: Trotz Sondervermögen bleiben dramatische Kürzungen – mit direkten Folgen für die Kommunen als demokratisches Fundament.
An die Basis der Demokratie,
Der Herbst der Reformen ist ausgefallen. Das ist nicht nur für die Bevölkerung, die Wirtschaft und das Klima fatal, sondern auch für die Kommunen in vielen Orten eine existenzielle Frage. Nach der Neuwahl im Februar wurde der Bundeshaushalt 2025 erst im September beschlossen, der Haushalt 2026 folgte Ende November. Die Bilanz ist ernüchternd: Trotz des beachtlichen Sondervermögens, das Zukunftsinvestitionen in Schulen, Brücken und Schienen stärken sollte, gehen mit beiden Bundeshaushalten dramatische Kürzungen in unverzichtbaren Bereichen einher. Die Leidtragenden sind die jungen Generationen und – wie so oft – auch die Kommunen. Die Aufgaben wachsen, während die finanzielle Grundlage bröckelt. Der Herbst hätte besser laufen können.
Dramatische Kürzungen – fatale Signale
Besonders bedrückend sind die massiven Einschnitte in der Außenpolitik und hier bei der globalen humanitären Hilfe. In einer Zeit weltweiter Krisen und Katastrophen kürzt diese Bundesregierung die Mittel um 53 Prozent. Deutschland zieht sich aus Verantwortung zurück, die für die Menschen in Not und die Stabilität des internationalen Systems entscheidend ist. Gleichzeitig zeigen viele Kommunen, wie konkrete Solidarität aussieht: Städte wie Hannover, Kiel, Düsseldorf, Leipzig, Bonn und Frankfurt wollen verletzte und schwer kranke Kinder aus Gaza aufnehmen. Dieses lokale Engagement ist ein starkes humanitäres Signal. Umso unverständlicher ist die Ablehnung des Bundesinnenministeriums mit Verweis auf angeblichen viel zu hohen bürokratischen Aufwand. Das schwächt Vertrauen in die Selbstverwaltung der Kommunen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Ein neues Gesellschaftsjahr – Chance statt Pflicht
Zum Jahresbeginn 2026 startet der neue Wehrdienst: Alle 18-Jährigen erhalten ein Schreiben der Bundeswehr mit einem Fragebogen, den Männer verpflichtend ausfüllen müssen — bei Frauen ist er freiwillig. Ab dem Jahrgang 2008 wird eine Musterungspflicht für Männer eingeführt. Ich hätte mir an dieser Stelle ein anderes Modell gewünscht: ein Gesellschaftsjahr, das nicht einzelne junge Menschen zwingt, sondern allen einen Dienst ermöglicht – weit über die Bundeswehr hinaus. Ein solches Jahr könnte soziale Einrichtungen stärken, Natur- und Tierschutzprojekte voranbringen, Rettungsdienste und die Katastrophenhilfe unterstützen und vor allem Kommunen unmittelbar stärken. Denn die Kommunen vor Ort wissen am besten, wo junge Menschen für die Gesellschaft gebraucht werden. Ein inklusiver Dienst könnte Generationen verbinden, Perspektiven eröffnen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
Demokratiearbeit braucht Verlässlichkeit
Viele wissen, wie positiv das Bundesprogramm Demokratie leben! in den letzten Jahren angenommen wurde. Demokratie leben! hat Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche ermöglicht, lokale Bündnisse gegen Diskriminierung gestärkt und Räume für Austausch und Begegnung geschaffen. Diese Arbeit braucht Verlässlichkeit und nicht die fortgesetzte Sorge drohender Kürzung.
Liebe Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker,
Sie alle spüren die Folgen der Bundespolitik zuerst – im Jugendtreff, im Sportverein, in der Geflüchtetenunterkunft, im Straßenbauamt. Und Sie sind es, die mit Ihrem Engagement vor Ort Lösungen finden und umsetzen, während auf Bundesebene falsche Prioritäten gesetzt werden. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam für eine Politik kämpfen, die Zukunft ermöglicht und Kommunen stärkt und damit unser demokratisches Fundament. Eine Politik, die Solidarität nicht verwaltet, sondern lebt.
Mit herzlichen Grüßen
Boris Mijatovic
Boris Mijatović steht als grüner Bundestagsabgeordneter für konsequente Menschenrechtspolitik und eine wertegeleitete Außenpolitik. Mit seinem Engagement für humanitäre Hilfe und internationale Solidarität bleibt er eine der klaren Stimmen für Verantwortung und Haltung im Deutschen Bundestag. (Boris Mijatovic, 10.12.2025)
