KAS: Deutsche und Zuwanderer blicken unterschiedlich auf Rechtsextremismus, Krieg und Vielfalt
Deutschland ist längst eine Einwanderungsgesellschaft. Doch das gemeinsame Verständnis davon, was dieses Land zusammenhält, bleibt brüchig. Eine aktuelle Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt, wie unterschiedlich Menschen mit und ohne Migrationshintergrund auf Politik, Gesellschaft und kulturelle Fragen blicken – und wo die Grenzen der Integration verlaufen. Drei Viertel der Deutschen ohne Migrationsgeschichte geben an, der Rechtsextremismus in Deutschland mache ihnen Angst. Unter Menschen mit Migrationshintergrund teilen zwei Drittel diese Sorge, unter ausländischen Befragten knapp mehr als die Hälfte. Besonders stark ausgeprägt ist die Beunruhigung bei Personen mit türkischen oder russischen Wurzeln, während sie bei Befragten polnischer Herkunft deutlich geringer ist. Die Autorin der Studie, Sabine Pokorny, spricht von „unterschiedlichen Bedrohungswahrnehmungen“, die eng mit eigener Erfahrung und Herkunft verbunden seien. Während Zugewanderte in erster Linie Diskriminierung und Ausgrenzung wahrnehmen, fürchten viele Deutsche ohne Migrationsgeschichte eine politische Radikalisierung von rechts. Auch beim Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zeigen sich klare Unterschiede. Eine Mehrheit von 58 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund sieht Russland als alleinigen Aggressor. Unter Zugewanderten und ausländischen Befragten liegt dieser Anteil nur bei rund 40 Prozent. Viele Befragte mit Wurzeln in Osteuropa bewerten den Krieg deutlich zurückhaltender – oft geprägt von familiären oder medialen Einflüssen aus dem Herkunftsland. Besonders sensibel fällt der Befund zu antisemitischen Einstellungen aus. Der Aussage „Juden kann man nicht trauen“ stimmen vier Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund zu, aber neun Prozent der Deutschen mit Migrations-hintergrund und zehn Prozent der ausländischen Befragten. Auffällig hoch liegt der Anteil unter Türkeistämmigen (26 Prozent) und Spätaussiedlern (18 Prozent). Der Anstieg im Vergleich zu früheren Erhebungen wird mit dem Nahostkonflikt und den Spannungen nach dem Hamas-Angriff auf Israel 2023 in Verbindung gebracht. Auch bei der Haltung zu Homosexualität bestehen deutliche Unterschiede. Während unter Deutschen ohne Migrationshintergrund nur sieben Prozent homosexuelle Freunde ablehnen, liegt der Anteil bei Zugewanderten und Ausländerinnen und Ausländern bei fast einem Fünftel. Besonders ausgeprägt sind die Vorbehalte unter Musliminnen und Muslimen sowie orthodoxen Christinnen und Christen. Über alle Gruppen hinweg leben mehr als 90 Prozent der Befragten gerne in Deutschland. Das Gefühl, mit Respekt behandelt zu werden, ist jedoch rückläufig. Nur 37 Prozent der Deutschen ohne, 39 Prozent der Deutschen mit Migrationshintergrund und 52 Prozent der ausländischen Befragten geben an, sich immer respektvoll behandelt zu fühlen. 2015 lag dieser Wert in allen Gruppen noch deutlich höher. Die Studie zeichnet ein ambivalentes Bild: Integration funktioniert im Alltag, aber das gemeinsame Selbstverständnis bleibt fragil. Herkunft prägt weiterhin die Wahrnehmung gesellschaftlicher Realität – politisch, kulturell und emotional. „Die Einwanderungsgesellschaft ist angekommen, aber sie ist noch nicht geeint“, resümiert Autorin Sabine Pokorny. Ihre Daten zeigen, dass Zugehörigkeit und Distanz in Deutschland oft zugleich erlebt werden – und dass die Frage, was uns verbindet, dringlicher wird, je vielfältiger das Land wird. (KAS, 06.12.2025) Ganzer Artikel hier…
