Open Source als Fundament kommunaler Digitalisierung
Für Kommunen wird digitale Souveränität zur Schlüsselfrage ihrer Handlungsfähigkeit. Schleswig-Holstein geht mit seiner Open Source-Strategie voran und zeigt, wie sich Abhängigkeiten von Softwarekonzernen reduzieren und gleichzeitig neue Möglichkeiten für datenbasierte Stadtentwicklung schaffen lassen. Die deutschen Kommunen stehen vor einem grundlegenden Problem, das ihre Handlungsfähigkeit in der digitalen Transformation erheblich einschränkt. Öffentliche Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen nutzen größtenteils Software von wenigen großen, sogenannten proprietären, Anbietern, woraus sich starke Abhängigkeiten entwickelt haben. Die finanziellen Dimensionen dieses Problems sind erheblich – allein der Bund zahlte 2023 fast 200 Millionen Euro für Microsoft-Lizenzen. Für Kommunen bedeutet dies nicht nur kontinuierlich steigende Kosten, sondern auch eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten bei der IT-Infrastruktur. Der Zwang, Hersteller-Cloudsysteme zu verwenden und die damit einhergehenden erheblichen Lizenzkosten, verschärfen diese Situation zusätzlich. Als erstes Bundesland hat Schleswig-Holstein eine umfassende „Open Innovation und Open Source Strategie“ beschlossen und damit einen Weg aufgezeigt, der bundesweit Beachtung findet. Das Land plant den schrittweisen Umstieg seiner 25.000 Arbeitsplätze auf Open Source-Lösungen: LibreOffice ersetzt Microsoft Office, Open-Xchange löst Exchange ab, und langfristig ist sogar der Wechsel von Windows auf Linux vorgesehen. Diese Strategie umfasst den Aufbau eines Open Source Programm Offices in der Landesverwaltung, die Förderung des DigitalHub.SH zur Verknüpfung öffentlicher Bedarfe mit der Digitalwirtschaft, den verstärkten Einsatz von Open Government-Ansätzen sowie die Beteiligung an der Deutschen Verwaltungscloud und dem Zentrum Digitale Souveränität.
Parallel zur Open Source-Bewegung etablieren sich Urban Data Platforms als zentrale digitale Infrastruktur für Kommunen. Diese Plattformen bündeln kommunale Informationen und schaffen so eine datenbasierte Grundlage für urbane digitale Zwillinge oder digitale Dienstleistungen wie Verkehrs-Apps oder Mängelmelder. Die Vorteile von Urban Data Platforms auf Open Source-Basis sind für Kommunen erheblich: Im Sinne der Datensouveränität bleiben die Daten im Besitz der Kommune, die über Form und Umfang der Verwendung entscheidet. Standardisierte offene Schnittstellen schaffen einen sicheren und integrierten Zugang zu urbanen Daten aus verschiedensten städtischen Bereichen, während Open-Source-Lösungen, Kooperationen und ein schrittweises Vorgehen den Kommunen Flexibilität und digitale Souveränität auf dem Weg zur eigenen Datenplattform bieten. Die gesetzlich verpflichtende Kommunale Wärmeplanung wird zum praktischen Prüfstein für diese neue Dateninfrastruktur. Große Kommunen müssen bis zum 30. Juni 2026 eine Wärmeplanung erarbeiten, kleinere Kommunen bis zum 30. Juni 2028. Ohne durchgängige, digitale Planungsprozesse können die kommunalen Wärmepläne kaum fristgerecht erstellt werden. Hier zeigt sich der praktische Nutzen offener Datenplattformen: Sie ermöglichen die Integration verschiedenster Datenquellen – von Gebäudeenergiedaten über Wärmepotenziale bis hin zu Verkehrs- und Umweltdaten – in einem einheitlichen System.
Für Kommunen ergeben sich daraus konkrete Handlungsoptionen in verschiedenen Zeithorizonten. Kurzfristig können sie ihre aktuelle Softwarelandschaft prüfen und geeignete Open Source-Alternativen identifizieren, Pilotprojekte in weniger kritischen Bereichen starten und interne Kompetenz für Open Source-Technologien aufbauen. Mittelfristig sollten sie eine kommunale Open Source-Strategie entwickeln, eine Urban Data Platform aufbauen oder sich an eine bestehende anschließen und Kooperationen mit anderen Kommunen für gemeinsame Lösungen eingehen. Langfristig können sie ihre Verwaltungsinfrastruktur vollständig auf Open Source umstellen, Software eigenständig weiterentwickeln und neue Geschäftsmodelle durch Datenveredelung erschließen. „Anstatt unsere IT-Finanzmittel in Lizenzgebühren zu stecken, setzen wir sie ein, um Entwicklungs- und Supportverträge zu finanzieren“, erklärt Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister Dirk Schrödter. Dieser Ansatz stärkt nicht nur die digitale Souveränität, sondern auch die regionale Wirtschaft. Kommunen können durch Open Source-Strategien ihre IT-Ausgaben von reinen Lizenzkosten hin zu lokalen Investitionen in Entwicklung und Support umschichten, was Arbeitsplätze vor Ort schafft und lokale Expertise aufbaut. Die Verbindung von Open Source-Software, Urban Data Platforms und konkreten Anwendungen wie der Kommunalen Wärmeplanung bietet Kommunen die Chance, ihre Digitalisierung auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen. Schleswig-Holstein beweist, dass der Weg zu mehr digitaler Souveränität machbar ist – wenn die politische Führung mitgeht und die Umstellung strategisch geplant wird. Die rechtlichen Rahmenbedingungen mit Gesetzen wie dem E-Government-Gesetz und dem Datennutzungsgesetz unterstützen diese Entwicklung. Kommunen, die jetzt handeln, können sich einen Vorsprung bei der Digitalisierung sichern und gleichzeitig ihre Haushalte langfristig entlasten. (DEKOM, 07.07.2025) Mehr Infos hier…