Struktur statt Sammelpostfächer: Wie Kommunen Vorgänge wieder steuerbar machen

Die digitale Transformation der Verwaltung wird häufig mit Plattformen, Fachverfahren und Automatisierung verknüpft. Doch bevor Prozesse digital gesteuert werden können, muss ein grundlegendes Problem gelöst sein: die Art und Weise, wie Verwaltungen heute eingehende Anliegen entgegennehmen und intern weiterverarbeiten. Bereits der vermeintlich niedrigschwellige Ansatz, Bürgeranfragen per E-Mail zu organisieren, erweist sich in der Praxis häufig als kompliziert. E-Mail erzeugt Kommunikation, aber keinen Vorgang. Sobald Nachrichten in Sammelpostfächern auflaufen, weitergeleitet, kommentiert oder „zur Sicherheit“ in Kopie gesetzt werden, verliert die Verwaltung Transparenz über Zuständigkeiten, Bearbeitungsstände und Fristen. Hier zeigt sich: Nicht die Technik entscheidet über Gelingen oder Scheitern, sondern die Organisation des Vorgangs. Nico Hemker, Geschäftsführer der performio GmbH, adressiert genau dieses Spannungsfeld. performio stellt eine Lösung bereit, die aus einem Eingangsvorgang automatisch einen steuerbaren Fall macht – mit eindeutiger Verantwortlichkeit, dokumentierter Bearbeitung und Integrationsfähigkeit in kommunale Systeme. Im Gespräch erläutert Hemker, warum E-Mail im Bürgerservice an ihre systemischen Grenzen stößt und weshalb echte Digitalisierung nicht mit neuen Tools beginnt, sondern mit einer verlässlichen Prozesslogik.

DEKOM: Herr Hemker, in vielen Verwaltungen landen Bürgeranliegen nach wie vor in Sammelpostfächern. Warum ist das problematisch?

Nico Hemker: Ein Sammelpostfach sammelt nur – es sortiert nicht, steuert nicht und trägt keine Verantwortung. Der Vorgang existiert nur so lange, wie jemand die Mails manuell weiterleitet. Ist diese Person krank oder im Urlaub, verschwindet der Vorgang. In einem Workshop hat jemand gesagt: „Wir sind Inbox-getrieben, nicht prozessgesteuert.“ Das trifft es genau. Ein Mail-System bildet keinen Vorgang ab. Und ohne Vorgang gibt es keine Zuständigkeit und keine Vertretung. Ein Ticketsystem macht genau das anders.

DEKOM: Wie unterscheidet sich ein Ticketsystem vom reinen Sammelpostfach?

Hemker: Bei einer E-Mail lautet die Frage ständig: „Wer hat diese Nachricht?“ Im Ticketsystem lautet die Frage: „Wer ist verantwortlich?“ Das verändert alles. Aus jedem Eingang entsteht automatisch ein Vorgang mit Verantwortlichem, Historie und Frist. Mitarbeitende suchen nicht mehr nach Mails, sie steuern Vorgänge.

DEKOM: Was macht das Ticketsystem dabei konkret?

Hemker: Es gibt eine Seite für die Verwaltung – das ist die Bearbeitungsoberfläche –, und eine Seite für Bürgerinnen und Bürger oder interne Mitarbeitende, also ein Portal. Dort geben sie ihr Anliegen strukturiert ein. Das System führt die Informationen zusammen und legt automatisch einen Vorgang an. Eine E-Mail kann ebenfalls ein Ticket erzeugen, aber der größte Effekt entsteht, wenn das Anliegen direkt über das Portal eingeht, weil dort die relevanten Angaben bereits erhoben werden. Daneben sind natürlich weitere Kanäle wie Telefonie, Chat oder Soziale Medien möglich.

DEKOM: Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem Kommunen sofort Entlastung spüren?

Hemker: Bei Stadtwerken nach der Jahresabrechnung kommen oft hunderte Anfragen innerhalb weniger Tage. Viele davon sind Standard, zum Beispiel: „Bitte reduzieren Sie meinen Abschlag um 20 Euro.“ Im E-Mail-Modell muss das jemand lesen, verstehen und beantworten. Im Ticketsystem wird der Vorgang automatisch erkannt, geprüft und bestätigt. Nur Ausnahmen gehen zur Sachbearbeitung.

So bleibt Zeit für die Fälle, die wirklich Entscheidung brauchen.

DEKOM: Und wie funktioniert das bei Vorgängen mit Rechtswirkung – also echten Verwaltungsakten?

Hemker: Dann entscheidet immer ein Mensch. Das System führt nur die Schritte zusammen und stellt sicher, dass ein Vorgang weder verloren noch vergessen wird. Es leitet zur zuständigen Rolle weiter und wartet auf die Freigabe. Das System nimmt keine Entscheidungen ab, es verhindert nur, dass Vorgänge verschwinden.

DEKOM: Viele Kommunen haben Sorge vor großen IT-Projekten.

Hemker: Der Einstieg ist kein IT-Projekt, sondern ein Organisationsschritt. Wir starten mit einem einzigen Prozess. Oft mit Mängelmeldungen oder internen IT-Anfragen. Die Einführung fühlt sich eher an wie „die Website erweitern“, nicht wie ein klassisches IT-Projekt mit langen Vorbereitungszeiten, hohen Investitionen und langfristige Vertragsbindungen.

DEKOM: Wie lösen Sie das Thema Hosting und Datenschutz?

Hemker: Wir hosten in Deutschland. Genauer: im Rechenzentrum der STACKIT, die zur Schwarz Gruppe gehört. Für Kommunen ist das ein echter Türöffner, weil damit die üblichen Vorbehalte gegen US-Clouds nicht mehr greifen.

DEKOM: Und die Integration in bestehende Strukturen, etwa über kommunale Rechenzentren oder SAP?

Hemker: Wir integrieren dort, wo es sinnvoll ist – mit KDVZ, mit SAP-Vertragsdaten oder anderen Fachverfahren. Die Kommune muss dabei keinen eigenen Betrieb sicherstellen, wir übernehmen das oder arbeiten mit dem jeweiligen Partner zusammen.

DEKOM: Was geben Sie Kommunen zum Abschluss mit?

Hemker: E-Mails sortieren ist keine Verwaltungsarbeit. Vorgänge steuern schon. Sobald eine Anfrage ein Ticket wird, gibt es Verantwortung, Vertretung und Transparenz. Automatisierung nimmt keine Kontrolle – sie schafft sie.

Über performio

Die performio GmbH mit Sitz in Brühl (Baden-Württemberg) ist ein IT-Systemhaus, das seit 2007 Unternehmen und öffentliche Auftraggeber unterstützt – insbesondere Kommunalverwaltungen, Stadtwerke und kommunale Unternehmen. performio entwickelt Lösungen, mit denen eingehende Anliegen von Anfang an als Vorgang geführt und nachvollziehbar bearbeitet werden können: mit klarer Zuständigkeit, dokumentiertem Verlauf und geordneten Übergaben zwischen Fachbereichen. Der Betrieb erfolgt vollständig in Deutschland; das Unternehmen ist nach ISO/IEC 27001:2022 zertifiziert.

(DEKOM, 10.11.2025) Mehr Infos hier…

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