Zwischen Anspruch und Realität: Open Source in der Berliner Verwaltung

Während Schleswig-Holstein beim Einsatz freier Software konsequent auf digitale Souveränität setzt, zeigt ein Blick in die Hauptstadt, wie weit der Weg vieler Verwaltungen noch ist. In Berlin liegt der Anteil quelloffener Fachverfahren derzeit bei gerade einmal 23 Prozent. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Jan Lehmann hervor. Das Ergebnis zeichnet ein ernüchterndes Bild: Der Umstieg auf offene Standards und Open-Source-Lösungen erfolgt bislang nur punktuell und ohne klare Gesamtstrategie. Der Berliner Senat hat nach eigenen Angaben keinen vollständigen Überblick darüber, welche Fachverfahren Microsoft Office direkt verwenden – etwa durch den Einsatz von „Word“ in Verwaltungsprozessen. Nur in besonders sensiblen Bereichen, in denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, wird teilweise auf Microsoft-Produkte verzichtet. Begründet wird das mit erhöhten Sicherheitsanforderungen. Gleichzeitig verweist die Verwaltung auf das neue EU-US Data Privacy Framework, das bestimmte US-Anbieter – darunter auch Microsoft – datenschutzrechtlich legitimiert. Damit droht die Grundsatzfrage digitaler Souveränität erneut hinter pragmatische Sicherheitsargumente zurückzutreten. Immerhin: Der Senat prüft inzwischen, ob künftig verbindlich offene Standards vorgeschrieben werden sollen. Damit ließe sich ein späterer Wechsel auf Open-Source-Lösungen schrittweise umsetzen, ohne die Verwaltung auf einen Schlag umstellen zu müssen. Auch die geltende IKT-Architektur des Landes Berlin (Version 1.95) setzt in Teilen auf Offenheit. Sie schreibt vor, dass alle neuen Fachverfahren HTML5-kompatibel und damit betriebssystemunabhängig sein müssen. Derzeit erfüllen bereits rund 48 Prozent der Verfahren diese Anforderung. Eine zentrale Voraussetzung für größere Fortschritte ist die geplante IKT-Zentralisierung: Sobald das ITDZ Berlin (IT-Dienstleistungszentrum) alle Computer der Berliner Verwaltung standardisiert verwaltet, könnte ein einheitlicher, quelloffener Arbeitsplatz – etwa auf Basis des „BerlinPC“ – realisiert werden. Doch bis dahin bleibt die Abhängigkeit von Windows-basierten Fachverfahren eine der größten Hürden. Viele Programme wurden ausschließlich für Microsoft-Betriebssysteme entwickelt, was nicht nur die Einführung alternativer Software erschwert, sondern auch bei internen Windows-Updates regelmäßig Kompatibilitätsprobleme verursacht. Politisch setzt Berlin auf Evolution statt Revolution. Bei jeder neuen Softwareeinführung soll künftig geprüft werden, ob eine Open-Source-Alternative verfügbar ist. Fachverfahren sollen langfristig webbasiert entwickelt und ältere Anwendungen schrittweise angepasst werden. Dieser inkrementelle Ansatz soll verhindern, dass ein abrupter Wechsel die Verwaltung überfordert. Gleichwohl bleibt der Rückstand im Ländervergleich deutlich: Während Schleswig-Holstein mit offener Software bereits produktiv arbeitet, steckt Berlin noch in der konzeptionellen Vorbereitung.

Fazit

Berlin steht damit exemplarisch für die Herausforderungen vieler Bundesländer: fehlende Übersicht, komplexe Fachverfahren und föderale IT-Strukturen bremsen den Fortschritt. Doch die Richtung ist vorgezeichnet. Offene Standards, webbasierte Anwendungen und eine zentral gesteuerte Infrastruktur sind die Grundpfeiler einer Verwaltung, die ihre digitale Souveränität langfristig sichern will. Ob Berlin den politischen Willen und die organisatorische Konsequenz aufbringt, den eingeschlagenen Weg zügig weiterzugehen, bleibt abzuwarten. (Jan Lehman MdA, 06.10.2025) Ganzer Artikel hier…

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