„Digitale Wahlen können die Demokratie stärken“

Die vorgezogene Bundestagswahl 2025 hat gezeigt, wie groß das Potenzial digitaler Wahlverfahren ist – und wie wichtig es ist, neue Wege für eine moderne, inklusive Demokratie zu gehen. Besonders für Auslandsdeutsche und mobilitätseingeschränkte Menschen kann eine Online-Wahl-Möglichkeit die Teilhabe verbessern: einfach, sicher und barrierefrei. Die votegroup GmbH wurde genau mit diesem Ziel gegründet. Im DEKOM Interview erklärt Dieter Rehfeld, Geschäftsführer der votegroup, warum digitale Wahlen die Demokratie stärken – und was sie für die Zukunft politischer Beteiligung bedeuten können.

Herr Rehfeld, bei der Sozialwahl 2023 konnten Millionen Versicherte erstmals online abstimmen. Ein Meilenstein für die Digitalisierung der Demokratie?

Rehfeld: Absolut. Die Sozialwahl 2023 war die erste bundesweite Wahl in Deutschland, bei der digitale Stimmabgabe in großem Stil möglich war. Mehr als 22 Millionen Versicherte hatten Zugang zu dieser Möglichkeit – und rund 350.000 Menschen haben sie genutzt. Das zeigt, dass das Bedürfnis nach modernen, flexiblen Wahlformaten da ist. Für uns als votegroup – damals noch unter dem Dach von vote iT und elect iT – war das ein bedeutender Meilenstein und ein praktischer Beweis: Digitale Wahlen funktionieren sicher, datenschutzkonform und zuverlässig.

DEKOM: Die Technik kam aus der kommunalen Familie – ist das auch eine politische Botschaft?

Rehfeld: Ja, das ist ein ganz zentraler Punkt. Als hundertprozentig kommunales Unternehmen steht die votegroup für demokratische Daseinsvorsorge auf höchstem technischem Niveau. Gemeinsam mit unserem Gesellschafter regio iT haben wir gezeigt, dass die kommunale IT mehr kann als Daseinsvorsorge: Sie kann Demokratie-Infrastruktur. Die Wahl wurde vom Bundeswahlleiter, den Ministerien und dem BSI eng begleitet – mit dem Ergebnis: sehr gute Bewertungen für die technische Durchführung.

DEKOM: Was war aus Ihrer Sicht der Schlüssel zum Erfolg?

Rehfeld: Zwei Dinge: Erstens die klare gesetzliche Grundlage und zweitens ein technisch wie organisatorisch hochrobustes System. Die Online-Wahl wurde im Sozialgesetzbuch V verankert, flankiert von der Technischen Richtlinie TR-03162 des BSI. Und wir haben sichergestellt, dass nur wahlberechtigte Personen wählen konnten – mit sicherer Identifikation per Online-Ausweis oder eGK. Die Stimmabgabe selbst war durchgängig verschlüsselt, verifizierbar und anonym. Das schafft Vertrauen – und das ist bei Wahlen das A und O.

DEKOM: Sehen Sie Potenzial, dieses Modell auch für politische Wahlen zu nutzen – etwa für Bundestags- oder Kommunalwahlen?

Rehfeld: Die rechtlichen Voraussetzungen sind aktuell noch nicht gegeben, aber technisch ist es absolut machbar. Wichtig ist, dass jede Wahlform den demokratischen Wahlgrundsätzen entspricht: allgemein, frei, geheim, gleich und unmittelbar. Die Sozialwahl hat gezeigt: All das ist auch digital möglich. Es braucht jetzt den politischen Willen, insbesondere für Zielgruppen, für die die Briefwahl nicht praktikabel ist – etwa Deutsche im Ausland.

DEKOM: Wie groß ist diese Zielgruppe?

Rehfeld: Schätzungen gehen von drei bis vier Millionen im Ausland lebenden deutschen Staatsbürgern aus. Für die Bundestagswahl 2025 haben sich rund 214.000 Auslandsdeutsche in das Wählerverzeichnis eintragen lassen. Wie viele von ihnen wirklich ihre Stimme abgegeben haben wurde nicht erhoben. Die letzten Zahlen zur Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen stammen aus dem Jahr 2017. Damals gaben rund 113.000 im Ausland lebenden Wahlberechtigte ihre Stimme zur Bundestagswahl tatsächlich ab. Der Aufwand, sich rechtzeitig in das Wählerverzeichnis einzutragen und Briefwahlunterlagen zu erhalten, ist hoch. Die Bundeswahlleiterin hat darauf erneut hingewiesen: Wer im Ausland lebt, muss aktiv werden und viele formale Hürden nehmen. Eine digitale Wahloption könnte hier konkret Teilhabe sichern.

DEKOM: Und was ist mit Wahleinsprüchen – ist eine digitale Wahl da nicht besonders anfällig?

Rehfeld: Im Gegenteil. Gerade digitale Systeme bieten verifizierbare Sicherheit, wenn sie richtig konzipiert sind. Wahleinsprüche, wie sie bei der Bundestagswahl 2021 zu Zehntausenden eingereicht wurden, zeigen, wie wichtig transparente, nachvollziehbare Prozesse sind. Auch zur Bundestagswahl 2025 gab es Einsprüche, aber deutlich weniger. Vor allem Auslandsdeutsche, die sich über lange Wege und Bürokratie beschweren, haben Einspruch eingelegt. Das digitale Wahlverfahren bei der Sozialwahl war vollständig auditierbar und überprüfbar – das ist ein Vorteil, nicht ein Risiko. Es könnte gerade bei der Distanzwahl hilfreich sein“

DEKOM: Wäre das auch auf europäischer Ebene denkbar?

Rehfeld: Unbedingt. Ein sicherer europäischer Standard für Online-Wahlen könnte nicht nur Auslands-Europäer besser einbinden, sondern auch technologisch Maßstäbe setzen – etwa durch den Einsatz der europäischen eID oder des EU-Wallets. Gerade im Kontext der Europawahlen wäre das ein klares Bekenntnis zur digitalen Souveränität Europas.

DEKOM: Die votegroup ist aus zwei Spezialisten hervorgegangen – welche Rolle spielen Sie künftig im Wahlgeschäft?


Rehfeld: Wir bringen mit „elect“ und „votemanager“ zwei marktführende Wahlsoftwarelösungen unter ein Dach. Unsere Systeme unterstützen Kommunen, Länder und Bund bei Organisation, Durchführung und Ergebnisdarstellung von Wahlen. Über 80 Prozent der deutschen Kommunen, sieben Landeswahlleitungen und das Statistische Bundesamt arbeiten mit unseren Lösungen – ebenso wie die Wahlleitung in den Niederlanden. Unser Ziel ist es, die Prozesse zu vereinfachen, abzusichern und künftig noch stärker zu digitalisieren – mit neuen Portalen für Wahlhelferinnen und Kandidatinnen, mit KI-Komponenten und mit Anbindung an die Verwaltungscloud.

DEKOM: Im Koalitionsvertrag 2025 ist die Weiterentwicklung der Online-Wahl für Sozialwahlen erneut Thema – was bedeutet das für Sie?

Rehfeld: Das ist ein wichtiges Signal. Die Bundesregierung will Online-Wahlen bei Sozialversicherungen weiter ausbauen und dabei auch die Rentenversicherung einbeziehen. Das eröffnet neue Perspektiven – auch technologisch. Wir sehen darin den politischen Auftrag, die digitale Wahlplattform zur zentralen Infrastruktur für demokratische Teilhabe weiterzuentwickeln. Gerade in einer älter werdenden Gesellschaft kann so demokratische Partizipation dauerhaft gesichert werden.

DEKOM: Abschließend gefragt: Ist die Online-Wahl das Mittel gegen sinkende Wahlbeteiligung?

Rehfeld: Sie ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein. 39 Prozent der Nichtwählenden bei der Bundestagswahl 2021 gaben an, verhindert gewesen zu sein – durch Urlaub, Krankheit oder andere Gründe. Digitale Wahloptionen nehmen solche Hürden. Die Sozialwahl war ein Pilot – der nächste Schritt ist, dieses Erfolgsmodell auch anderen Wahlen zugänglich zu machen. (DEKOM, 28.04.2025) Mehr Infos hier…

Über Votegroup

​Die votegroup GmbH ist ein führender Anbieter von Wahlsoftware in Deutschland, entstanden aus der Fusion der vote iT GmbH und elect iT GmbH zum 1. Juli 2024 . Mit Standorten in Berlin, Gütersloh und Aachen entwickelt das Unternehmen sichere und benutzerfreundliche Lösungen für Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen . Die Produkte „votemanager“ und „elect“ decken den gesamten Wahlprozess ab – von der Organisation über die Durchführung bis zur Ergebnispräsentation . Als kommunale Gesellschaft, getragen von IT-Dienstleistern wie regio iT, AKDB, Komm.ONE, ekom21 und KDO, versteht sich die votegroup als integraler Bestandteil der demokratischen Infrastruktur.

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