Wer zahlt für sauberes Wasser?
Kostenexplosion bei Kläranlagen wirft Fragen zur EU-Abwasserrichtlinie auf – Kommunale Realität vs. Herstellerverantwortung.
Die geplante Einführung einer vierten Reinigungsstufe für kommunale Kläranlagen im Rahmen der überarbeiteten EU-Kommunalabwasserrichtlinie ist ein zentrales Vorhaben im Kampf gegen Mikroschadstoffe im Abwasser. Die nationale Umsetzung soll pragmatisch erfolgen und nationale Verschärfungen dabei vermieden werden. Es braucht Planungs-, Rechts- und Finanzierungssicherheit für alle Beteiligten. Letztere wird hierzulande jedoch zunehmend zum Streitfall.
Laut der neuen Richtlinie sollen mindestens 80 Prozent der Kosten für Bau und Betrieb dieser zusätzlichen Reinigungsstufe von den Herstellern von Humanarzneimitteln und Kosmetika getragen werden – im Sinne einer „erweiterten Herstellerverantwortung“. Die kommunalen Spitzenverbände begrüßen diesen Ansatz ausdrücklich: Für den Deutschen Städtetag und den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) ist dies eine „gerechte Lastenteilung“, die auf dem Verursacherprinzip fußt.
Kosten zu niedrig angesetzt?
Doch die Kritik an dem Verfahren und an den von den Kommunalverbänden kolportierten Zahlen wächst. Der Verband Pharma Deutschland, der rund 400 Pharmaunternehmen vertritt, hat eine umfassende Analyse aktueller Klärwerksprojekte vorgelegt. Der Befund: Die realen Baukosten sind häufig mehr als doppelt so hoch wie vom VKU prognostiziert.
Etwa in der Stadt Bad Driburg: Dort wurde die vierte Reinigungsstufe bereits umgesetzt – mit Investitionen von rund 10 Millionen Euro. Das entspricht Baukosten von 2,34 Euro pro Kubikmeter Abwasser – während der VKU für diese Anlage lediglich 1,20 Euro angesetzt hatte. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass die kommunale Realität von den Modellrechnungen der Kommunalverbände ebenso häufig, wie erheblich abweicht.
Insgesamt ermittelte Pharma Deutschland auf Basis von 25 bereits umgesetzten oder geplanten kommunalen Kläranlagenprojekten bundesweit einen durchschnittlichen Baukostenwert von 2,02 bis 3,91 Euro pro Kubikmeter – und damit teilweise um ein Vielfaches mehr als in der VKU-Kalkulation.
Einseitige Belastung – fragwürdiger Lenkungseffekt
Pharma Deutschland kritisiert nicht nur die aus ihrer Sicht kaum belastbaren Kostenannahmen. Auch die einseitige finanzielle Belastung ihrer Branche sei problematisch. Die Richtlinie verpflichte ausschließlich die Hersteller von Humanarzneimitteln und Kosmetika zur Finanzierung – obwohl Rückstände im Abwasser vielfältige Ursachen haben, etwa durch Haushalts- und Industriechemikalien oder landwirtschaftliche Einträge. Zudem sei der gewünschte Lenkungseffekt – mehr Umweltbewusstsein bei der Produktentwicklung – bei Humanarzneimitteln nicht erreichbar: Wirkstoffe seien medizinisch notwendig und basieren auf der Identifizierung biologisch aktiver Substanzen, die beispielsweise Krebszellen abtöten sollen. Die Lenkungsfunktion des Verursacherprinzips kann nicht eintreten, ohne Wirkungsweise von Arzneimitteln zu beeinträchtigten. Zudem dauern die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente durchschnittlich etwa 13 Jahre
Versorgungsrisiken nicht ausgeschlossen
Der Verband warnt vor einem Dominoeffekt: Es besteht die Gefahr, das generische Arzneimittel -80% der verschreibungspflichtigen Arzneimittel in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich produziert werden können. Das stellt eine erhebliche Gefahr für die medizinisch Versorgung dar.
Fazit: Viele Fragen offen
Darüber, dass auch zukünftig Mikroschadstoffe aus dem Wasser entfernt werden müssen, sind sich alle beteiligten Akteure einig. Wer dafür am Ende aber zur Kasse gebeten wird und ob die von der EU angestrebte sogenannte „erweiterte Herstellerverantwortung“ tatsächlich der Königsweg ist, bleibt indes mehr als fraglich.
Die Antwort liegt womöglich in einem differenzierteren Finanzierungsmodell – mit mehr Transparenz, realitätsnaher Kostenbewertung und einer fairen Verteilung der Verantwortung.
(DEKOM, 28.04.2025) Mehr Infos hier…