Arne Schönbohm: Es braucht keine 5.000 Datenlabore, die KI für Kommunen entwickeln
Ob in der Verkehrsführung, der Laststeuerung in Energienetzen oder in der Verwaltung – KI und maschinelles Lernen verändern den kommunalen Arbeitsalltag grundlegend. KI-gestützte Prozesse in Kommunalverwaltungen führen zu mehr Effizienz, erhöhen die Ergebnisqualität und stärken die Nähe der Verwaltung zu Bürgern. Der Einsatz von KI und maschinellem Lernen stellt auch neue Anforderungen an die Beschäftigten in der Verwaltung. Darüber haben wir uns mit Arne Schönbohm, Professor für Sicherheit in der digitalen Welt des Instituts für Sicherheitsforschung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, unterhalten.
Herr Schönbohm, mit enormem Tempo durchdringt künstliche Intelligenz nahezu alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche. In hoher Schlagzahl werden immer neue Entwicklungen für immer neue Einsatzszenarien vorgestellt. Wie kommen solche Anwendungen in die Kommunalverwaltungen?
Aus der Hochschulsicht heraus brauche ich keine 5.000 oder 10.000 Datenlabore, die KI für Kommunen entwickeln, sondern einige wenige hochspezialisierte Kompetenzzentren in denen Wissenschaft und Wirtschaft direkt mit eingebunden sind. Darauf können andere dann zugreifen. In der öffentlichen Verwaltung geht es erstmal um maschinelles Lernen. Das ist wie Brötchen backen eine Serienfertigung.
Wichtig ist deshalb vor allem, dass die Anwender – also Miterbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung zunächst einmal ganz praktisch darin geschult werden, welche Fragen unter Hinzuziehung der Gesetze und Verordnungen zu stellen sind, um einen Fall zu bearbeiten. Eine so genannte Kreativitätsquote kann dabei den jeweiligen Ermessensspielraum festlegen. Am Ende prüft die Sachbearbeitung dann detailliert, ob das ML-Tool die einzelnen Prozessschritte in der vorgesehenen Prüfungsreihenfolge eingehalten hat und bewertet final die Richtigkeit des daraus resultierenden Bescheides oder Verwaltungsaktes.
Sie sprechen im Zusammenhang mit dem Einsatz solcher Tools der Verwaltung von maschinellem Lernen – nicht von KI. Warum?
Maschinelles Lernen und KI sind unterschiedliche Dinge. KI trifft eigenständige Entscheidungen und entwickelt sich eigenständig fort. Das ein ganz wesentlicher Unterschied zu dem was wir jetzt haben. Wir geben Korridore vor, mit Informationen und Daten, die dem Algorithmus als Grundlage zur Verfügung gestellt werden – die Ergebnisse basieren so einzig auf den jeweiligen Vorgaben. Der Algorithmus entwickelt nichts Eigenständiges oder Kreatives, sondern assistiert quasi der Sachbearbeitung. Das ist für Entscheider in den Kommunen ein wichtiger Punkt. Maschinelles Lernen ist ein zusätzliches, durchaus mächtiges Werkzeug – es entwickelt aber gerade kein Eigenleben und trifft keine eigenständigen Entscheidungen.
Was braucht es für mehr Offenheit der Verwaltung gegenüber maschinellem Lernen und dem Einsatz von KI – Anwendungen?
Wichtig ist, dass die mit Hilfe maschinellen Lernens erzielten Ergebnisse genauso gut sind, wie die herkömmlichen Resultate und keine höhere Fehlerquote aufweisen, als es zuvor der Fall gewesen ist. Mit Hilfe maschinellen Lernens können die Beschäftigten allerdings erheblich mehr Sachverhalte bewerten, prüfen und Bescheide erlassen, weil sie damit weniger Arbeit haben. Damit sind wir dann bei einem anderen für die Kommunen ganz wesentlichen Punkt – dem Ressourceneinsatz. Von den derzeit rund 330.000 Beamten werden etwa 100.000 in den kommenden Jahren aus dem Dienst ausscheiden. Das wirft Fragen auf. Besetzt man alle Stellen neu oder nur 50.000 oder weniger? Gerade angesichts der demografischen Entwicklung kann maschinelles Lernen hier zu erheblich mehr Effizienz und weniger Ressourceneinsatz führen. Vielen Dank! (DEKOM, 18.11.2024)