IW: Geplante CO2-Infrastruktur – Zustimmung durch Aufklärung
Für eine erfolgreiche Transformation muss die Ermöglichung des Abscheidens von CO2 weit oben auf der Agenda der Bundesregierung stehen. Aufgrund geringer Kenntnisse zu dieser Technologie zeigen Akzeptanzbefragungen bisher noch kein klares Bild. Dort muss die Politik ansetzen. Eine wichtige Technologieoption der Transformation hin zur Klimaneutralität ist das sogenannte CCUS (Carbon Capture, Utilisation and Storage). Dabei geht es um die Möglichkeit, entstehende CO2-Emissionen abzuscheiden und anschließend in Produkten zu binden oder unterirdisch zu speichern. Seit Langem ist bekannt, dass ein klimafreundlicher Betrieb bei manchen Prozessen ohne diese Technologie nicht möglich ist. Zudem könnte die Technologie in anderen Bereichen angewendet werden, um Emissionen effizient zu vermeiden. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist daher von einem angepeilten Gesetzespaket die Rede, das diese Technologie „umgehend […] ermöglicht. Vor der Bundestagswahl scheiterte die Änderung des Kohlenstoffdioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) an fehlenden Mehrheiten. Eine Änderung ist nötig, um die kommerzielle Nutzung der CCUS-Technologien und die unterirdische Speicherung von CO2 in Deutschland zu erlauben. Weitere Hürden bestehen zudem im Aufbau einer entsprechenden Pipeline-Infrastruktur. Daher ist es wichtig, das Thema CCUS auf der industriepolitischen Agenda der neuen Bundesregierung zu verankert. Strittige Fragen bei dem Thema CCUS drehen sich bereits seit dem letzten Jahrzehnt darum, für welche Sektoren, Branchen und Prozesse die Technologie genutzt werden soll und darf. Einigkeit besteht darüber, dass zukünftig unvermeidbare Emissionen abgefangen werden sollen. Beispielsweise erfolgen bei der Zementherstellung etwa zwei Drittel der Emissionen prozessbedingt. Das CO2 tritt bei der Verarbeitung des Kalksteins aus und nicht durch das Nutzen von fossilen Energieträgern. Auch in anderen Branchen wie der Kalk- und Chemieindustrie finden sich ähnlich schwer vermeidbare Emissionen. Zudem können durch das Abfangen von Emissionen bei Prozessen mit biogenen Energieträgern auch Negativemissionen erzeugt werden. Daher setzen auch gängige Transformationsszenarien zur Erreichung der Klimaziele auf die Anwendung der CCUS-Technologien in den kommenden Jahren. Beispielsweise bemisst eine Studie aus dem Jahr 2023 die 2045 potenziell abzufangende Menge an CO2 in der Industrie auf 17,6 Millionen Tonnen pro Jahr (SCI4climate.NRW, 2023). Das entspricht gut 11 Prozent der industriellen Emissionen im Jahr 2024. Ähnlich zu Ausbauvorhaben in anderen Bereichen der Transformation, wie bei der Windenergie oder dem Stromnetzausbau, stellt sich beim Aufbau einer CO2-Infrastruktur die Frage nach der gesellschaftlichen Akzeptanz. Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Zustimmung vom Anwendungsbereich der Technologie abhängt und für industrielle Emissionen tendenziell höher ausfällt als beispielsweise bei der Anwendung an Kohlekraftwerken. Aktuelle Befragungsergebnisse aus dem Projekt SCI4climate.NRW (siehe Datengrundlage) deuten auf hohe sogenannte sozio-politische Akzeptanz der Technologie hin. Gemeint ist damit eine geringe generelle Ablehnung der Abscheidung von CO2 an Industriestandorten oder des Aufbaus entsprechender Leitungen. Nur 18,7 Prozent respektive 18,5 Prozent der Befragten lehnen dies ab. Dagegen befürworten 42,6 Prozent beziehungsweise 46,3 Prozent die Technologie. Ein relativ hoher Anteil von 38,7 Prozent respektive 37,3 Prozent ist bisher unentschlossen („teils/teils; „weiß nicht“). In einem Bundesland wie Nordrhein-Westfahlen, wo besonders viele Industriestandorte mit potenzieller CCUS-Anwendung verortet sind – wo klimaneutrale Industriearbeitsplätze also von der Technologie abhängen könnten –, fällt die Zustimmung sogar noch etwas größer aus. Deutschlandweit gilt allerdings auch: Mit zunehmender Nähe des eigenen Wohnortes zu einer CO2-Pipeline oder einem CCUS-Industriestandort sinkt die Akzeptanz deutlich. Dieses Phänomen ist auch bei anderen Technologien zu beobachten und wird als NIMBY („Not In My Backyard) bezeichnet. Den Umbau eines hypothetischen Werkes zur Abspaltung von CO2 vor der eigenen Haustüre befürworten gerade einmal 5,4 Prozent. Auch die Gruppe, die eine unterirdische CO2-Pipeline im Umkreis von weniger als 500 Metern als akzeptabel erachtet beträgt nur 17,8 Prozent (Diermeier/Mertens, 2025). Damit fällt die Zustimmung gegenüber CO2-Leitungen in der Nähe des Wohnumfelds deutlich höher aus als im Falle von Industriestandorten, die CCUS-Technologien nutzen. Die höhere Abneigung gegenüber Fabriken mit CO2-Abscheidung ergibt sich dabei aus der Kombination aus der perspektivischen Nähe zum Industriestandort sowie der CCUS-Anwendung. Grundsätzlich fällt die Zustimmung zu CCUS im Vergleich zu anderen Energiewende- und Transformationsinfrastrukturen wie Windkraftanlagen oder Wasserstoffleitungen etwas geringer aus. Die sozialpolitische Akzeptanz ist allerdings höher als bei oberirdischen Stromtrassen, die gerade einmal von 30 Prozent der Befragten befürwortet werden. Jedoch ist der Anteil der Unentschlossenen bei den CCUS-Technologien am höchsten. Das mag auch daran liegen, dass bisher wenige konkrete Pläne für eine CO2-Infrastruktur bekannt sind und sich viele Menschen nicht persönlich betroffen fühlen. Gerade einmal jeder zehnte Befragte weiß um geplante CO2-Leitungen im eigenen Wohnumfeld. Passend zur großen Unentschlossenheit geben keine zehn Prozent der Befragten an, über ausreichende Informationen zu CCUS zu verfügen. Dabei könnten entsprechende Angebote den Bürgern helfen, sich eine Meinung zu bilden, und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu stärken. Diese Erkenntnisse decken sich auch mit weiteren Ergebnissen der Akzeptanzforschung: Im Rahmen des Projekts Protanz.NRW gaben nur 691 von 1845 der Befragten an, etwas über die Möglichkeiten von CCUS-Technologien in der Industrie zu wissen. Innerhalb dieser 691 Befragten lehnten nur 12,4 Prozent CCUS grundsätzlich ab. Die Ablehnung von Speicherstätten in der eigenen Region fiel dabei etwas höher aus als bei Pipelines. Letztere wurden nur von 33,5 Prozent als zumindest etwas risikobehaftet gesehen. Zurecht priorisiert der Koalitionsvertrag von Union und SPD eine zeitnahe Ermöglichung von CCUS in Deutschland. Das ist wichtig, denn es braucht zuverlässige Leitplanken für Investitionen in die Klimaneutralität. Wichtig ist dabei nicht nur die betroffenen Unternehmen, sondern auch die Bevölkerung mitzunehmen. Die Untersuchungen zeigen nur in Teilen der Bevölkerung Skepsis gegenüber CCUS-Technologien. Signifikant ist jedoch der Anteil der Unentschlossenen auch mit Blick auf Risiken und Vorteile der Technologie. Gerade in betroffenen Regionen gilt es daher auf Menschen zuzugehen und Informationsangebote zu machen. Zudem sollte die Bedeutung für die Klimaneutralität und den Wirtschaftsstandort hervorgehoben werden. Denn für das Gelingen der Dekarbonisierung braucht es auch die Möglichkeit von CCUS. (IW Köln, 28.04.2025) Ganzer Artikel hier…